Es gab viel Kritik in dieser Woche an der "befreienden Erklärung" für Steuerflüchtige. Die diesmal einer wahren Amnestie entspricht. Weshalb? Weil sie sich diesmal an den harten Kern der Steuerflüchtlingen wendet, anders als 2004: Damals war die "'einmalige' befreiende Erklärung" tatsächlich eine solche, weil sie als Regularisierung angelegt war und eine nachträgliche Strafvervolgung zuließ, wenn das Kapital unrechtmäßig erworben wurde.
Diesmal ist es anders: Bei schwerer Steuerhinterziehung, sprich bei gewaschenem schwarzem oder grauem Geld ist die Strafverfolgung nicht mehr möglich, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen wie etwa Menschenhandel. Klar, dass es an dieser Amnestie viel Kritik gibt, aus "ethischen Gründen".
Was eigentlich wenig Sinn macht, denn es ist das Wesen einer Amnestie, von der Strafe abzusehen, sei es aus edelmütigen Gründen, oder weil etwa eine nationale Versöhnung angestrebt wird.
Amnestie ist also per se nichts schlechtes, aber dann soll man es bitte auch so nennen, und nicht etwas von einer "befreienden Erklärung" erzählen. Bedeutender ist aber, dass der Grund, die Amnestie zu gewähren, nicht so recht überzeugt: Weshalb soll jemand mit richtig krimineller Energie den befreienden 35-prozentigen Steuersatz zahlen? Und wer sagt, dass das Geld noch auf der Bank liegt und nicht in Immobilien oder Sachwerten? Kein Wunder also, wenn von der erst in den Raum gestellten Milliarde Euro recht schnell 600 Millionen wurden und inzwischen nur noch 500. Wenn überhaupt. Schon die erste "befreiende Erklärung" war weit unter den Erwartungen geblieben: knapp 500 statt 850. Da muss sich die Regierung nicht wundern, wenn der normale Steuerzahler die Frage nach Moral und Ethik stellt.
Vor brisanten Entscheidungen drücken
Es entsteht der Verdacht, dass der Schritt der bunt gemischten Koalition recht zupass kam, um sich vor richtig brisanten Entscheidungen zu drücken. Und bei solchen brisanten oder ideologiebehafteten Schritten fiel in dieser Woche etwas sehr erstaunliches auf: Fast gleichzeitig und bei verschiedenen Befragungen wünschte sich eine übergroße Mehrheit, bis 80 Prozent, eine sogenannte Reichensteuer: Alte und Junge, Männer und Frauen, sprachgruppenübergreifend, - wo gibt es das schon mal, in diesem unserem Land?
Ist es verwunderlich?: Weshalb sollten Sie, und Sie, und ich, einer drückenden progressiven Steuerbelastung unterworfen sein, für ganz Reiche die Belastung durch die Progressivität aber gedeckelt sein? Gerechtigkeitssinn traf auf Volksempfinden. Dass ausgerechnet ein sozialistischer Premier da einknicken musste, ist bezeichnend, oder zeigte er vorauseilenden Gehorsam, nach der Schelte, er sei Marxist?
Aber wie peinlich für Di Rupo, als er sich in Paris über die Anhebung der Biersteuer in Frankreich beschwerte: Fast süffisant wies Präsident Hollande seinen Gast darauf hin, er möge doch mal in seinem Parlament nachfragen, weshalb die Abgeordneten erwägen, dem französischen Superreichen Bernard Arnault die belgische Staatsangehörigkeit zu geben, und nicht nur diesem. Da kommt einem doch das schöne Bild einer von Brabant-Pferden gezogenen Bierkutsche in den Sinn, in's Politische übertragen: eine Retour(bier)kutsche!
Die Grossen bestellen und die Kleinen (einfachen Arbeiter und Angestellten) können die Zeche bezahlen. Es ist wie immer, egal wer an der Macht ist!