Neben der Haushaltssanierung werden auch Maßnahmen erwartet, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Im Visier der liberalen Koalitionspartner sind vor allem die hohen Lohnkosten in Belgien.
Deswegen ist in diesen Tagen auch wieder der Index aufs Tapet gekommen. Die Gewerkschaften haben in diesem Zusammenhang eine deutliche Warnung an die politisch Verantwortlichen ausgesprochen.
Ein Dilemma ist es, in dem die Regierung steckt. Auf der einen Seite gibt es da die Selbstverpflichtung in punkto Haushaltsdisziplin. Belgien hat mit der EU vereinbart, das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr auf 2,15 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Konkret bedeutet das: um in der EU-Spur zu bleiben, müssen zwischen 3,4 und 3,7 Milliarden Euro gefunden werden. "Gefunden" heißt: entweder durch Sparmaßnahmen oder über neue Steuern. Wahrscheinlich beides.
Auf der anderen Seite ist da aber die Krise, die vor allem in den letzten Tagen eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Es vergeht kein Tag mehr, an dem nicht irgendwo in Belgien massive Stellenstreichungen angekündigt werden. Deswegen fordern insbesondere die liberalen Parteien Maßnahmen, um die Unternehmen wieder konkurrenzfähig zu machen. Im Visier von OpenVLD und MR sind vor allem die Lohnkosten. Es sei nämlich so, sagte Patrick Dewael, Fraktionsvorsitzender der Open-VLD in der Kammer: die Lohnkosten in Belgien seien entgleist, sie lägen um knapp fünf Prozent höher als in den Nachbarländern. Belgien müsse also dringend für Investoren wieder attraktiver werden.
Es muss gerüttelt werden
Der Zwickmühle kann man nur entrinnen, wenn man an den Basis-Parametern rüttelt. Im Klartext: wenn man Dinge infrage stellt, die bislang als unumstößlich galten. Genau das hat am Freitag PS-Vizepremierministerin Laurette Onkelinx getan, als sie eine Idee lancierte, die immer noch nachhallt: Warum lockert man nicht das EU-Korsett? Warum kann man in dieser Ausnahmesituation nicht vom EU-Haushaltsfahrplan abweichen, fragt sich Onkelinx. Wer zu gnadenlos spare, der laufe Gefahr, die Wirtschaft endgültig abzuwürgen, die Krise zu verschärfen, und dann produziere man neue Ford-Genks.
Die EU-Haushaltsvorgaben nicht einzuhalten, seinem Engagement nicht nachzukommen, das wäre ein Tabubruch. Breite Ablehnung bei den Koalitionspartnern. Mit Ausnahme vielleicht der Schwesterpartei S.PA, die ein Ausscheren aus der EU-Spur aber auch nur in höchster Not in Erwägung ziehen würde. N-VA-Chef Bart De Wever sah sich derweil in seiner Meinung bestätigt. Die PS blockiere die brotnötigen Strukturreformen, sagte Bart De Wever in der VRT. Ohne die PS hätte das Land längst seinen Arbeitsmarkt und sein Steuerrecht neu ausgerichtet. Jetzt haben wir die Quittung bekommen: mit Ford Genk.
Das sei nicht nur beleidigend, sondern auch noch falsch, reagierte SP.A-Chef Bruno Tobback in der RTBF. Ford Genk sei doch kein Einzelfall! In ganz Europa gebe es die gleichen Probleme. Und noch etwas: Elio Di Rupo und seine Regierung seien ja nun auch nicht für alles Übel dieser Erde verantwortlich: Belgien, seine Wirtschaft, sein Sozialsystem, die gab's auch schon vorher.
Wie lang noch tabu?
Doch wollen insbesondere die Liberalen De Wever und auch dem flämischen Unternehmerverband den Wind aus den Segeln nehmen. Und, man kann es sich an den fünf Fingern abzählen: damit dürfte auch der Index wieder aufs Tapet kommen. Für die linken Parteien und auch die Gewerkschaften ist ja die automatische Kopplung der Löhne und Gehälter an die Lebenshaltungskosten nach wie vor tabu. Niemand will zwar das System abschaffen, vielmehr macht das Wort "Indexsprung" die Runde. Will heißen: man würde eben die Anpassung der Löhne und Gehälter ein Mal auslassen, trotz steigender Preise also die Gehälter "für einmal" nicht anpassen.
Die christliche Gewerkschaft CSC will diese Idee im Keim ersticken. Ein Indexsprung? Nicht mit uns! Dann werde es im Spätherbst auch kein Rahmentarifabkommen geben, sagte CSC-Chef Marc Leemans in der VRT. Die FGTB geht noch einen Schritt weiter: wenn die Regierung den Index anrühre, dann bedeute das, dass das Tischtuch zerrissen sei: dann werde es keinen Dialog mehr geben.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)