Was für eine Woche! Zunächst das Wahlergebnis, das für einige faustdicke Überraschungen gesorgt hat - das schon gleich um die Ecke, in Kelmis zum Beispiel. Und dann die Koalitionsbildung, die stellenweise, besonders in Brüssel, zu einem traurigen Schauspiel geraten ist, auf dem Niveau einer politischen Soap-Opera.
Selten wohl haben Kommunalwahlen auf allen Ebenen für so viel Unruhe gesorgt, selten sind die Grenzen zwischen den verschiedenen Machtebenen derart verschwommen, selten gab es so viele "Brüche und Umbrüche".
Mein lieber Mann! Was für eine Woche! Manchmal musste man sich fragen, ob man nun lachen oder weinen soll.
Geheime Vorabkommen; Vereinbarungen, die, kaum getroffen, schon wieder gebrochen werden; niveaulose Dominospiele; heimtückische Dolchstöße; gekränkte Eitelkeiten. Allesamt Symptome der reinen Machtgier. Die Polit-Landschaft stinkt zum Himmel, so formulierte es das flämische Massenblatt "Het Laatste Nieuws". Dem ist nichts hinzuzufügen...
Die Politik hat – zumindest stellenweise - die ganze Bandbreite dessen geboten, was man als überzeugter Demokrat überhaupt nicht sehen will. Denn: eigentlich sollte es doch um den Bürger und nur um den Bürger gehen, sein Votum, seine Entscheidung. Ein frommer Wunsch, diesmal mehr denn je.
Politique politicienne, sagt der Franzose: Politik, allein um der Politik Willen. Daran hat uns das politische Personal in diesem Land aber eigentlich längst gewöhnt. Da wird taktiert, manövriert, intrigiert, und das allein im eigenen Mikrokosmos. Wie das nach außen wirkt, was man da für ein jämmerliches Schauspiel abgibt, das ist den Parteien egal, schlimmer noch: Sie merken es nicht mehr.
Brüsseler Sandkasten
In Brüssel haben die Parteien fleißig "Mein Schäufelchen, Dein Schäufelchen" gespielt. Der Sandkasten war am Ende gar nicht mehr groß genug. Dabei wurde munter gelogen und betrogen. "Wenn Du mich in die Opposition beförderst, dann warte nur, dann mach' ich mit Dir das gleiche". Schaerbeek, Brüssel-Stadt, Molenbeek, Uccle: die Koalitionen in diesen Gemeinden hängen im Grunde alle zusammen, die Bildung der kommunalen Mehrheiten war hier allein die Folge von Abrechnungen unter Parteien. "Domino-Effekt sorgt für Massaker", so lautete in dieser Woche die treffende Schlagzeile in einer Zeitung.
Doppel-Hauptrolle spielten hier PS und CDH, die sich mehrmals hintereinander gegenseitig auf die Oppositionsbank verfrachtet haben – offensichtlich allein aufgrund gekränkter Eitelkeiten - und deren Freundschaft bei der Gelegenheit in Scherben geflogen ist. Das will so mancher schon als Zeichen an der Wand sehen mit Blick auf die Wahl 2014: Beobachter wollen da herauslesen, dass sich die CDH nach jahrelanger Nibelungentreue von der PS abwenden und ein Bündnis mit der MR eingehen könnte. Dass solche Mutmaßungen nach einer Kommunalwahl ins Kraut schießen, das zeigt doch, wie wenig "lokal" diese Wahlen letzten Endes waren.
Strippen auf höherer Ebene gezogen
Da sind die Frankophonen im Übrigen nicht konsequent: in Bezug auf die Entwicklung in Flandern mit dem anhaltenden Siegeszug der N-VA hieß es doch immer: "Es sind Kommunalwahlen; Punkt, aus!". Auf ihrer eigenen Spielwiese praktizieren sie aber das krasse Gegenteil. Die Brüsseler Schlammschlacht hat jedenfalls ganz klar den lokalen Rahmen verlassen: Hier wurden die Strippen auf höherer Ebene gezogen.
In Flandern ist das ohnehin der Fall. Zunächst, weil N-VA-Chef Bart De Wever es von vornherein so angelegt hatte. Die Kampagne der N-VA war eine gesamtflämische, die Kommunalwahl hatte er als einen 'nationalen' Stimmungstest ausgegeben. Zumindest die CD&V, der zum Duell aufgeforderte Platzhirsch, hat sich aber auf diesen Hahnenkampf eingelassen. Auch hier waren die lokalen Interessen der Bürger am Ende meilenweit entfernt, in jedem Fall nebensächlich.
Und auch in Ostbelgien verschwimmen die Grenzen zwischen den Machtebenen. Das zeigt sich allein an dem doch ungewöhnlich offenherzigen Bekenntnis des künftigen Kelmiser Bürgermeisters Louis Göbbels. Der begründete die Erweiterung seiner Koalition auf die SP klipp und klar mit der Mehrheits-Konstellation an Klötzerbahn und Kaperberg: Er wolle in Kelmis Projekte verwirklichen, für die er eine "klare Linie" zur Gemeinschaftsregierung brauche, sagte Göbbels im BRF. Ob nun von höherer Seite so erwünscht, oder ob man aus vorauseilendem Gehorsam heraus handelt: Das kommt aufs Gleiche heraus.
Gemeinschaftsministerin auch Verhandlungsführerin
Eine "klare Linie" zur Gemeinschaftsregierung? Auch in Eupen sind in diesem Zusammenhang zumindest Fragen erlaubt. In Eupen ist eine amtierende Gemeinschaftsministerin zugleich Verhandlungsführerin der PFF. Und dann wird –ohne das sie rechnerisch für eine Mehrheit notwendig wäre- die SP+ mit ins Boot gehievt. Mag sein, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat. Mag sein, dass es wirklich so war, dass die Chemie zwischen den drei Parteien einfach gestimmt hat. Es gehört aber nicht sehr viel böser Wille dazu, um über einen möglichen DG-"Link" zumindest nachzudenken.
Kommunalwahlen sind längst keine rein lokalen Wahlen mehr, wo es in erster Linie um lokale Themen und lokale Persönlichkeiten geht, die Alltagssorgen der Bürger. Die übergeordneten Machtebenen und auch die höheren Interessen der Parteizentralen spielen viel zu häufig mal latent, mal vollkommen offensichtlich in die Bildung der kommunalen Koalitionen hinein. Da muss man sich –ums mal provokativ auszudrücken: Da muss man manchmal fast schon fragen, warum es Gemeinderatswahlen eigentlich noch gibt. Viel lieber würden es die Parteien wohl sehen, wenn man einmal wählen geht, und die Zentralen dann ihre Leute auf die Gemeinderatsstühle bombardieren können.
Auf der Strecke bleiben jedenfalls mitunter fast schon zwangsläufig die Interessen der Bürger, ihr Signal, das sie in der Wahlkabine abgeben wollten. Und das ist nicht nur schade, sondern auch schädlich...!
Bravo !
Glückwunsch! Sehr treffend kommentiert. Klar, dass die Bürger mehr und mehr von der Politik enttäuscht sind und Politikverdrossenheit um sich greift: "Die machen sowieso (mit unseren Stimmen) was sie wollen".
Der Kommentar ist erstklassig. Nur Politik ist eben ein Kuhhandel, der auf Geben und Hehmen bassiert. Ist aber in aber in vielen Bereichen des Lebens so.