Bis zum Ende des Jahres müssen die Spitzenvertreter der Arbeitgeber und Gewerkschaften ein neues Rahmentarifabkommen für die rund zweieinhalb Millionen Beschäftigten der Privatwirtschaft in Belgien aushandeln.
Hinter den Kulissen laufen bereits die Vorgespräche, bevor es dann in gut einem Monat in die Endphase der Verhandlungen geht, die sich diesmal als besonders schwierig ankündigt. In einigen wesentlichen Fragen vertreten Arbeitgeber und Gewerkschaften fast diametral entgegengesetzte Standpunkte.
Der erste und wichtigste Knackpunkt sind die Löhne für die nächsten beiden Jahre. Werden sie steigen? Um wie viel werden sie steigen? Ein zweiter Knackpunkt betrifft die Arbeitszeit. Bleibt es bei der 38-Stunden-Woche? Oder geht man auf den Wunsch der Arbeitgeber ein, etwas länger zu arbeiten? Knackpunkt Nummer drei sind die Kündigungsfristen, die zurzeit zwischen Arbeitern und Angestellten noch stark voneinander abweichen, die man aber einer europäischen Vorschrift zufolge ab Mitte nächsten Jahres einander angleichen muss.
Lohn-Index-Bindung
Im Prinzip wird es bei der Lohn-Index-Bindung - der Anpassung der Löhne an den Anstieg der Lebenshaltungskosten - bleiben, auch wenn die Arbeitgeber eine Reform der Lohn-Indexierung vorgeschlagen haben, durch die sich die Lohnkosten ein wenig verringern würden. Dass es tatsächlich so weit kommt, ist jedoch kaum zu erwarten, denn in diesem Punkt sind sich die Gewerkschaften einig: Finger weg vom Index, denn er garantiert die Kaufkraft der Arbeitnehmer und somit auch den Konsum, was nicht zuletzt auch der Wirtschaft zugutekommt.
Die Gewerkschaften fordern sogar, die Löhne noch zusätzlich anzuheben, ohne diese Forderung bisher näher beziffert zu haben. Ihres Erachtens ist jedenfalls noch ein leichter Lohnanstieg über die Indexierung hinaus möglich. Dies wird jedoch von Arbeitgeberseite kategorisch abgelehnt. Das Argument der Arbeitgeber: In Belgien sind die Lohnkosten jetzt schon zu hoch. Den Arbeitnehmern noch mehr geben als den Indexzuschlag würde die Konkurrenzfähigkeit vollends ruinieren. Das wird sicherlich eine sehr schwierige Diskussion werden und angesichts der derzeitigen Konjunkturflaute ist eine Lohnaufbesserung, die über den Index hinausgeht, nur schwer vorstellbar.
38-Stunden-Woche
Auch bei der 38-Stunden-Woche vertreten die Arbeitgeber und Gewerkschaften unterschiedliche Positionen. Die Arbeitgeberseite hat erst am Mittwoch verlauten lassen: Wenn wir die Lohnindexierung beibehalten, dann ist das für die Betriebe nur möglich, wenn die Mitarbeiter länger arbeiten. Und mit länger ist gemeint, nicht 38, sondern 39 bis 40 Stunden pro Woche - und zwar ohne dass dies extra bezahlt würde.
Die erste Reaktionen der Gewerkschaft darauf waren erwartungsgemäß negativ, denn länger arbeiten fürs gleiche Geld, das wäre in ihren Augen eine Lohnverringerung. Jedenfalls stehen auch in dieser Frage harte Diskussionen bevor.
Kündigungsfrist
Auch die Angleichung der Kündigungsfrist ist ein heikler Punkt, denn zurzeit haben die Angestellten in Belgien einen wesentlich günstigeren Kündigungsschutz als die Arbeiter. Ein Beispiel: Ein Arbeiter hat nach fünf Jahren Dienst Anrecht auf eine Kündigungsfrist von 42 Tagen, ein Angestellter mehr als 90 Tage. Das muss aber ab Juli nächsten Jahres vereinheitlicht werden.
Dazu schlagen die Arbeitgeber vor, um es mal pauschal auszudrücken, die Kündigungsfrist für Angestellte drastisch zu verringern. Dagegen schlagen die Gewerkschaften vor, die Kündigungsfrist für Arbeiter deutlich zu erhöhen, das heißt, der heute geltenden Frist für Angestellte anzupassen. Hier wird man sich wohl schließlich auf einen Kompromiss einigen müssen, der irgendwo in der Mitte liegt. Allerdings muss diese Einigung nicht unbedingt im Rahmen der anstehenden Tarifgespräche erfolgen. Damit hat man noch etwas mehr Zeit, da die von Europa geforderte Vereinheitlichung des Arbeiter- und Angestelltenstatuts erst ab 1. Juli 2013 in Kraft treten muss.
Bild: BRF