Mitten in der Krise und kurz vor der Kommunalwahl machen sich jetzt auch politische Parteien dafür stark. Am Freitag sind sogar Anhänger der sozialistischen Gewerkschaft durch die Nobelviertel der Hauptstadt gezogen.
Jedes Mal wenn ich auf meinen Lohnzettel schaue, könnt‘ ich heulen. Vor allem der Unterschied zwischen der Summe ganz oben und der ganz unten macht mich wütend. Über 50 Prozent Steuern. Netto bleibt also weniger als die Hälfte vom Brutto übrig. Fast jedes Mal denk‘ ich dann: Für mich Arbeitnehmer, ist Belgien die Hölle!
Wenn ich dann auch noch höre, dass große Unternehmen fast keine Steuern zahlen und Superreiche von den Erträgen ihres Vermögens kaum etwas abgeben müssen, dann werd‘ ich noch stinkiger. Und wenn dann noch ein dreister Franzose auf einmal Belgier werden möchte, weil er die Luxusfirmen, mit denen er französisches Lebensgefühl weltweit teuer verkauft, günstig an seine Kinder vermachen will, dann platzt mir ehrlich gesagt der Kragen.
Bessere Lastenverteilung
Schnell wird klar: Natürlich brauchen wir eine bessere Lastenverteilung in Belgien. Unser Land kann nicht für die einen Steuerhölle sein und für die anderen Steuerparadies. Das ist allerdings nichts Neues. Dass die Sozialisten - allen voran die französischsprachige PS - jetzt eine Revolution gegen die Reichen im Land startet, finde ich übertrieben. Wenn die Vermögenssteuer tatsächlich der Herzenswusch der Sozialisten ist, dann frage ich mich: Warum habt ihr sie nicht schon längst eingeführt. Lange genug an der Macht seid dafür allemal. Jetzt, kurz vor den Kommunalwahlen auf den emotionalen Zug aufzuspringen, finde ich heuchlerisch.
Aber nicht nur die Sozialisten verhalten sich in diesen Tagen merkwürdig. Auch die Liberalen scheinen vom Wahlkampffieber erfasst zu sein. Falls die Vermögenssteuer kommt, zieht sich die Open-VLD zurück, so die Drohung. Aus. Vorbei. Dann gibt es keine Regierung Di Rupo mehr. Doch statt wie ein wildgewordener Stier unkontrolliert die Muskeln spielen zu lassen, sollte Vizepremier Van Quickenborne lieber einen Blick aufs Regierungsprogramm werfen. Von Vermögenssteuer oder ähnlichem steht dort nichts geschrieben. Die Gefahr, dass sie kurzfristig eingeführt werden könnte, besteht also gar nicht.
Gefahr für Sechs-Parteien-Koalition
Stattdessen bringen sowohl Sozialisten als auch Liberale die sechs-Parteien-Koalition unnötig in Gefahr. Besonders gefährdet ist die OpenVLD. Wer weiß, ob die flämischen Liberalen bei einer vorgezogenen Neuwahl überhaupt noch die fünf-Prozent-Hürde schaffen würden. Für beide Seiten gilt also: Lieber mal den Mund halten und warten, dass das Wahlfieber wieder abklingt.
Dann würde ich mir allerdings Reformen wünschen, die beides vereinen: Ich zahle künftig ein bisschen weniger Steuern und die Superreichen im Gegenzug etwas mehr auf ihre Kapitalerträge. Damit die Lastenverteilung gerechter wird und die Konjunktur wieder an Fahrt aufnimmt.. Und, Sie wissen schon, damit ich nicht immer heulen muss, wenn ich meinen Lohnzettel in die Hand nehme. In aller Ruhe könnte dann übrigens auch die Schweiz-Frage geklärt werden. Eine Antwort auf das "unmoralische" Angebot aus der Alpenrepublik: Geld gegen Bankgeheimnis. Aber bitte: Am Verhandlungstisch und nicht wieder mit öffentlichen Rücktrittsdrohungen. Wenn die Regierung etwas erreichen will, muss sie nämlich zusammenhalten und Ergebnisse liefern.
Keinen Streit. Ansonsten freut sich der dicke Dünne aus Antwerpen. Sie wissen schon: der, der ständig mit den Hufen scharrt.