Es hat fast schon etwas von einem Ritual: Jedes Mal, wenn ein Schlussverkauf bevorsteht, treten Desperados auf den Plan, die sich nicht an die Regeln halten wollen.
Die "Regeln" lauten - im vorliegenden Fall - wie folgt: Am 30. Juni beginnt der Sommerschlussverkauf. In den vier vorangehenden Wochen, also den ganzen Monat Juni lang, gilt eine "Wartezeit", stehen die Preise unter besonderer Beobachtung.
In dieser "Wartezeit" ist es eigentlich von Gesetz wegen untersagt, die Kunden mit Rabatten zu locken. Nur gibt es eben immer wieder Geschäfte, die glauben, diese Regeln unterlaufen zu dürfen. Die Branche spricht von Freibeutern, Piraten... Unter diesen "Piraten" ist seit einigen Jahren das belgische Mode-Haus Zeb. Zeb verfügt über 30 Niederlassungen und ist bislang ausschließlich in Flandern aktiv.
Wiederholungstäter
Zeb ist ein Wiederholungstäter. Gegen das Modehaus laufen bereits mehrere Verfahren wegen Verstoßes gegen die Schlussverkauf-Gesetzgebung. Beeindruckt hat das den notorischen Freibeuter aber offensichtlich nicht: Zeb hisst erneut die Piratenflagge. Konkret: Auf den Schaufenstern werden - so wörtlich - "gigantische Rabatte" und "Mega-Schnäppchen" angekündigt, und zwar ab dem kommenden Freitag, zwei Wochen VOR Zapfenstreich also.
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, und ist quasi ebenso rituell: die Selbständigenorganisationen gehen auf die Barrikaden. Der flämische Mittelstandsverband UNIZO und auch die Nationale Selbständigenvereinigung SNI haben bereits Beschwerde beim zuständigen Wirtschaftsministerium eingereicht.
Stellt sich die Frage, warum es sich einige Ketten eigentlich über Jahre hinweg herausnehmen können, die Regeln zu unterlaufen. Schließlich verstoßen sie ja hier gegen geltendes Recht.
Grundsatzurteil des Kassationshofes
Doch, genau das ist das Problem: Dieses Recht "gilt" im Augenblick nicht, zumindest nicht so ganz. Die Branche wartet nämlich auf ein Grundsatzurteil des Kassationshofes, das ein für allemal offene Fragen regeln soll.
Denn, es ist so: Die Regeln in punkto Preisnachlass im Einzelhandel werden von der EU vorgegeben. Belgien hat aber am System der "Schlussverkäufe" innerhalb einer fixen Zeitspanne festgehalten. Einige Unternehmen haben gegen die Umsetzung dieser EU-Richtlinien in Belgien geklagt. Die EU hat auf die belgischen Beschwerden geantwortet, die Sache liegt aber derzeit beim höchsten belgischen Gericht. Und solange der Kassationshof hier nicht das letzte Wort gesprochen hat, bewegt man sich faktisch in einem luftleeren Raum.
Doch wollen sich die Mittelstandsvereinigungen nicht geschlagen geben. Sie haben eine neue Idee, um den 'Freibeutern' à la Zeb die Suppe zu versalzen.
Referenzpreis
Eine Regel gilt nämlich weiterhin: Der Referenzpreis für alle Abschläge während des Sommerschlussverkaufes ist der Preis, der in der "Wartezeit", also in den vier vorangegangenen Juni-Wochen angeschildert war.
Beispiel: Im Schlussverkauf wird mit einem Rabat von 20 Prozent geworben; das Produkt wird zu 80 Euro verkauft; in dem Moment muss eben dieses Produkt im Juni auch 100 Euro gekostet haben. Hiermit will man vermeiden, dass ein Unternehmen Abschläge vortäuscht: man hebt den Ausgangs-Preis auf dem Papier an, um dann angebliche Monsterrabatte anpreisen zu können, wobei das Produkt nicht oder nur kaum billiger geworden ist.
Deswegen sind im Moment auch Inspekteure des Wirtschaftsministeriums unterwegs, um zu schauen, wie teuer dieses und jenes Produkt im Augenblick ist; nach Beginn des Schlussverkaufs schwärmen die Kontrolleure dann wieder aus, um zu überprüfen, ob der Referenzpreis immer noch derselbe ist, ob ein und dasselbe Produkt nicht über Nacht teurer geworden ist, ob minus 20 Prozent auch wirklich minus 20 Prozent sind.
Unschöne Folgen
Wendet man diese Regel jetzt auf die Spielverderber an - und das ist der Plan der Mittelstandsvereinigungen - dann könnte das mitunter für die Betroffenen unschöne Folgen haben.
Beispiel: Zeb gewährt jetzt einen Abschlag von 100 auf 80 Eurov = 20 Prozent. Damit wird aber 80 Euro zum Referenzpreis für den Schlussverkauf. Wenn Zeb also ab dem 30. Juni noch einmal einen Rabatt von 20 Prozent gewähren will, dann wären das 20 Prozent von 80 Euro, nicht mehr von 100. Also: die Marge für Zeb würde kleiner.
Hier kann man rechtlich gegebenenfalls den Hebel ansetzen: Wenn Zeb - oder andere 'Freibeuter' - diese Regeln nicht beachtet, dann kann es teuer werden; hier drohen Bußen von bis zu 60.000 Euro.
Das Wirtschaftsministerium hat jedenfalls angekündigt, die Einhaltung dieser Referenzpreise peinlichst genau zu kontrollieren. In der Zwischenzeit geht der Schnäppchen-Krieg munter weiter.
Archivbild: vrt