
"Sehr geehrter Herr Finanzminister: Die Grenzen sind erreicht", erklärt die Open-VLD-Parlamentarierin, Gwendolyn Rutten. Gemeint ist damit der Steuerdruck, der in Belgien sprichwörtlich hoch ist. Und der steigt offenbar noch, stellt das so genannte Planbüro fest.
Ursache sind natürlich die Maßnahmen der Regierung Di Rupo zur Haushaltssanierung. Die bestehen zu rund zwei Dritteln aus Sparmaßnahmen, aber das verbleibende Drittel besteht aus neuen Steuern und Abgaben, beziehungsweise aus der Abschaffung gewisser Steuervorteile. Gesamtvolumen: 3,5 Milliarden Euro.
Diese Maßnahmen werden spätestens zu Beginn kommenden Jahres voll greifen. Was das konkret bedeutet, das rechnet die Zeitung De Morgen am Freitag vor: Eine Durchschnittsfamilie zahlt ab 2013 pro Jahr rund 370 Euro mehr an Steuern.
Steuerdruck auf neuem Rekordstand
Nach Berechnungen des Planbüros erreicht der Steuerdruck damit einen neuen Rekordstand: 45 Prozent. Will heißen: von 100 Euro, die in gleichwelcher Form in diesem Land kursieren, also Gehälter, Unternehmensumsätze, Mehrwert generell, gehen 45 Euro direkt an den Staat.
45 Prozent. Das gab's in der Tat noch nie. In den 1970ern belief sich der Steuerdruck noch auf ein Drittel. In den 1980ern wurde die 40 Prozent-Schwelle überschritten. Gesunken sind die Steuern und Abgaben dann nochmal zwischenzeitlich unter der Regierung Verhofstadt zwischen 1999 und 2008. Und seit 2008 ging es dann nur noch bergauf.
Die Regierung Di Rupo will sich da gar nicht erst rausreden. Es sei doch nunmal so, dass die Sanierung des Haushaltes absolute Priorität habe, sagte Finanzminister Steven Vanackere in der Kammer. Anders gesagt: Belgien -und damit eben die Regierung- habe keine andere Wahl.
Nur will sich nicht jeder in besagter Regierung diesen Schuh anziehen. Bereits erwähnte Open-VLD-Abgeordnete Gwendolyn Rutten bekniete geradezu den Finanzminister. "Sie müssen jetzt mit der Reform der Besteuerung auf Arbeit beginnen", hämmerte Rutten auf Vanackere ein. Arbeit in Belgien müsse billiger werden, damit das Land konkurrenzfähig bleibe.
Kleinere Maßnahmen
Doch im Moment fehle aber eben der Handlungsspielraum, erklärte StevenVanackere . Erst müssten die Staatsfinanzen auf Kurs gebracht werden. Und dann werde die Regierung sich schnellstens daran machen, den Arbeitsmarkt - insbesondere in punkto Besteuerung - wieder aufzupeppen. Erste, kleinere Maßnahmen, seien schon ab Beginn kommenden Jahres geplant.
So sollen zum Beispiel die Lohnnebenkosten für kleine und mittlere Unternehmen unter gewissen Umständen gesenkt werden.
Aber gut: im Grunde sagt der Finanzminister nichts anderes als: Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Ja, zugegeben, wir hatten keine Wahl, wir mussten die Steuern erhöhen. Und: Ja, das wird auch noch eine Zeitlang so bleiben.
Damit bewegt man sich auf einem schmalen Grat. Belgien stoße an kritische Grenzen, unken Fachleute und auch Arbeitgeberverbände. Belgien laufe Gefahr, durch diese gefährliche Mischung aus Spaßnahmen und erhöhtem Steuerdruck den sehnlichst erwarteten Aufschwung abzuwürgen.
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