In Belgien besteht inzwischen seit zehn Jahren das sogenannte Euthanasie-Gesetz. Seit seiner Verabschiedung wird die Möglichkeit immer häufiger wahrgenommen.
Letztes Jahr gab es auf Landesebene genau 1.133 Fälle von aktiver Sterbehilfe, das heißt also mehr als drei pro Tag. Inzwischen gibt es im Parlament Bestrebungen, das Gesetz auf bisher nicht erfasste Kategorien von Patienten auszudehnen.
Zur Zeit sind die Bedingungen noch sehr strikt. Erinnern wir an die wichtigsten: Der Patient muss volljährig und im vollen Besitz seiner geistigen Fähigkeiten sein. Er muss die Bitte um Sterbehilfe aus freiem Willen, also ohne jeglichen Druck von außen, zum Ausdruck bringen.
Er muss unheilbar krank sein und sowohl psychisch als auch physisch in unerträglichem Ma?e unter seiner Krankheit leiden. Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, gibt das belgische Euthanasie-Gesetz dem Arzt das Recht, die aktive Sterbehilfe zu praktizieren, das heißt, das Leben des Patienten mit Hilfe einer Spritze zu beenden.
Immer häufiger
Dass das Gesetz immer mehr Anwendung findet, hat wohl damit zu tun, dass sich die Möglichkeit, bei einer unheilbaren und unerträglichen Krankheit mit Hilfe des Arztes freiwillig aus dem Leben zu scheiden, im Laufe der Jahre herumgesprochen hat.
Die zweite Erklärung ist die, dass die Ärzte heute wohl eher bereit sind, die Euthanasie zu praktizieren, wenn der Patient dies immer wieder verlangt. Dies gilt insbesondere für Flandern, denn zurzeit ist es so, dass acht von zehn Fällen aktiver Sterbehilfe auf den flämischen Landesteil entfallen. Das hat nicht nur mit der Mentalität der Patienten zu tun, sondern vor allen Dingen damit, dass die flämischen Ärzte für die Anwendung der Euthanasie besser ausgebildet und informiert sind.
Erweiterung
In jüngster Zeit gibt es gewisse Parlamentarier, die das Gesetz über die Euthanasie auch auf Minderjährige und Demenzkranke ausdehnen möchten. Es würden die selben Bedingungen gelten wie im bestehenden Gesetz, doch kämen in beiden Fällen besondere Bedingungen hinzu.
Bei Kindern beziehungsweise Minderjährigen müsste sichergestellt werden, dass sie sich ihrer Lage und der Folge ihrer Entscheidung 100-prozentig bewusst sind. Andernfalls sollte der Gesetzgeber die Entscheidung ihren Eltern überlassen.
Bei Demenzkranken, bei denen ein klares Bewusstsein und eine freie Entscheidung nicht gegeben sind, wäre eine Euthanasie möglich, wenn sie, bevor sie geisteskrank wurden, schriftlich den Willen geäußert haben, dass sie im Falle einer unheilbaren Demenz euthanasiert werden möchten.
Die Sozialisten und die Grünen sind bereit, über die Initiative zu reden, die frankophonen Liberalen möchten die Debatte darüber vorerst nicht führen und die Christlich-Sozialen sind eher dagegen. Sie plädieren für eine weitere Verbesserung der Palliativpflege von unheilbar kranken Menschen. Angesichts dieser verschiedenen Standpunkte scheint es fraglich, dass die von gewissen Parlamentariern gewünschte Erweiterung der Euthanasie-Möglichkeiten die erforderliche Mehrheit im Parlament finden würde.
Bild: belga