Der tragische Brand vom vergangenen Wochenende im westflämischen Wingene hat uns noch einmal den harten Alltag der Fernfahrer vor Augen geführt. Bei dem Brand in der Lagerhalle waren zwei polnische LKW-Fahrer ums Leben gekommen, vier weitere wurden schwer verletzt.
Die polnischen LKW-Fahrer sind wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Das Problem nicht. Fernfahrer sind so etwas wie moderne Sklaven. Arbeitswochen von 80 Stunden und mehr, Terminstress, miese Bezahlung. Und dazu hausieren sie in menschenunwürdigen Verhältnissen, leben wochenlang in der Führerkabine ihres Lastwagens, schlafen in Containern oder wie in Wingene in einer alten Lagerhalle. Weit weg von zu Hause.
Das Leben im stark umkämpften Transportgeschäft ist knallhart. Für die Fahrer ebenso wie für Unternehmer und Spediteure. Doch dafür dürfen die im Namen von Wettbewerb und freier Marktwirtschaft noch lange nicht tun und lassen, was sie wollen. Dass bei uns Rumänen am Steuer von slowenischen Lastwagen sitzen, mit einem Arbeitsvertrag einer belgischen Scheinfirma in der Slowakei und Fahrten vom Antwerpener Hafen aus ins Ruhrgebiet und zurück verrichten, zeigt doch, dass irgendetwas schief läuft.
Belgische Brummifahrer sind zu teuer. Deswegen werden sie vor die Tür gesetzt und kurzerhand von billigen osteuropäischen Kräften ersetzt. Die werden - nicht selten - ausgebeutet. Mucken sie doch eh nicht auf, sind nicht gewerkschaftlich organisiert und verdienen trotz Niedriglohn noch immer deutlich mehr als zu Hause. Das ist das Problem der großen Europäischen Union mit 27 Mitgliedsstaaten und mindestens ebenso vielen Sozialsystemen.
Doch statt auf die EU zu schimpfen, sollte lieber das bestehende Regelwerk genutzt werden. Denn es gibt strenge Richtlinien. Vielleicht nicht genug, aber immerhin: Es gibt sie. Polnische Fahrer mit slowenischen LKW dürfen nicht einfach so, egal wie lange, in Belgien arbeiten und hier für wenig Geld durch die Gegend fahren.
Die zuständigen Staatssekretäre John Crombez und Melchior Wathelet haben nach dem tragischen Brand in Wingene schärfere Kontrollen versprochen. Die muss es auch geben. Massiv. Denn es gibt zahlreiche skrupellose Menschen in diesem Geschäft, denen dringend das Handwerk gelegt werden sollte. Polizei, Verkehrs- und Arbeitsministerium sollten dafür mehr Mittel erhalten. Auch innerhalb der EU müssen die Kontrolleure besser vernetzt werden.
Belgien ist wegen seiner wichtigen Transportwege besonders betroffen, Ostbelgien wegen der Grenzlage auch. Der EU-Abgeordnete Mathieu Grosch sagte diese Woche im BRF-Radio, er könne uns die Orte entlang der Autobahn zeigen, an denen die osteuropäischen Brummifahrer sich aufhalten. Hoffen wir, dass Ministerien, Polizei und Staatsanwaltschaft bald aktiv werden. Dass LKW-Fahrer in der heutigen Zeit wie Sklaven gehalten werden, ist nämlich nicht nur äußerst beschämend, sondern auch eine Gefahr. Eine rollende. Jeden Tag auf unseren Straßen.
Das Problem ist schon lange bekannt, aber es wurde nichts dagegen getan. Auch in Zukunft wird nicht viel geschehen, ein paar Stichproben vielleicht und das war's bis wieder etwas passiert. Man muss nur nach Antwerpen schauen; vor mindestens 50% belgischer Containerchassis fährt ein LKW mit slowakischen etc. Kennzeichen, auch im Nahverkehr, während die belgischen Fahrer arbeitslos sind. Ein toller Solidarpakt mit den neuen EU-Beitrittsländern.
Man hat aus den Fehlern der deutschen Wiedervereinigung nichts gelernt. Westeuropäische Staaten müssen ein Heer von Arbeitslosen finanzieren.
Im Prinzip ist die EU eine tolle Sache, aber wie überall: Sind Theoretiker am Werk, klemmt es meistens in der Praxis!
Die Anforderungen zur Mitgliedschaft in der EU waren schon immer eine schlecht überlegte Sache. Zu den Kriterien der Schuldenobergrenze sollte logischer
weise doch auch die Überlegung angestellt werden;ob es nicht sinnvoll oder sogar zwingend wäre, die Gleichschaltung der sozialen Sicherheiten wie Pension,Gesu-ndheitswesen usw.einzufordern.
@Bernd Brauer.
Die Fernfahrerproblematik kenne ich aus eigenem Erleben durch und durch und stimme Ihnen voll und ganz zu, auch dass sich in naher Zukunft kaum etwas ändern wird. In der Tat wird wohl noch mehr Unerwünschtes geschehen müssen bevor mal intensiv durchgegriffen wird.
Was Europa fehlt, ist eine "soziale Dimension", bei der auch der Mensch respektiert wird. Die Europäische Union ist rein wirtschaftlich ausgerichtet und nicht sozial. Was zur Zeit existiert, ist nicht mehr als ein organisiertes Durch- und Nebeneinander von an sich nicht zu vereibahrenden Sozial- und Steuergesetzgebungen. Kurz gesagt, Flickwerk. Darum rechne ich persönlich auch irgendwann mit dem Auseinanderbrechen in verschiedene Blöcke. Die Unterschiede sind einfach zu gross. Zum Beispiel ist der Mindestlohn in Luxemburg 10x höher als in Bulgarien oder Rumänien.
Mittels des Euros werden die Europäischen Arbeitnehmer gegeneinander ausgespielt. Der bekommt überall zu hören : du bist zu teuer, zu faul und zu dumm. Und so findet eine Entfremdung statt. Der Nationalismus kommt wieder hoch.
An die "Vereinigten Staaten von Europa" zu glauben ist genau so naiv, wie an den Osterhasen oder Weihnachtsmann zu glauben. Die kleinen Leute können die Konsequenzen dann ausbaden.
Ich persönlich lebe lieber in einem gefestigten National- und Sozialstaat, wie in einem Europa, wo nur der Rubel bzw. Euro rollt.
@Edgar Herbrand:
Ist mir neu, dass zu den Anforderungen zur Mitgliedschaft in der EU das Ausbeuten von LKW-Fahrern gehört.
@ Peter Ryumans:
Können sie überhaupt lesen? In meinem Kommentar steht nirgend etwas von Ausbeutung, nur von Gleichschaltung der sozialen Systeme!!
Zwar kann ich lesen... und sogar verstehen was ich lesen. Allerdings konstruieren hier andere die absonderlichsten Zusammenhänge. Das hier angesprochene Problem ist die Ausbeutung von Arbeitnehmern, und gleich werden hier von Europagegenern ohne Not die Anforderungen zur EU-Mitgliedschaft ins Feld geführt. Halt genauso als sei zum EU-Beitritt Ausbeutung unabdingbar.
Wie immer in Europa: schön alle Grenzen öffnen, der Wirtschaft alle Türen öffnen, aber die menschliche und sicherheitspolitische Dimension außer Acht lassen. Hauptsache, der Euro rollt! Ich fühle mich jeden Tag aufs Neue in meiner Euroskepsis bestätigt. Weg mit der EU, macht die Grenzen wieder dicht!
Menschen die an Staatengrenzen leben sollten sich glücklich schätzen, dass es die EU gibt. Ausbeutung gibt es nicht wegen der EU sondern trotz der EU.
Leider muss ich feststellen dass wir uns von Faulpelzen Sand in den Augen streuen lassen. Osteuropäische Fernfahrer verdienen gutes Geld , z.B. ein polnischer Fahrer verdient bei der Firma INTRA in Polen 4800 PLN umgerechnet 1200€ was für polnische Verhâltnisse sehr viel ist . Dagegen das Gehalt eines Gewerkschaftsfunktionär viel zuviel ist . Es grüsst ein Arbeitnehmer der auch für 7 € die Stunde arbeitet.