Das heißt, ein Defizit von unter drei Prozent des Bruttoinlandproduktes. Der Premierminister und die Spitzenvertreter der Mehrheitsparteien rühmen sich, ein Ergebnis zustande gebracht zu haben, das das Portemonnaie des Bürgers schont und die Konkurrenz der Betriebe nicht antastet. Man könnte also sagen: “Ende gut, alles gut“.
Kritisieren ist einfach, und deshalb sei gleich vorweg gesagt, dass das Resultat der Haushaltskontrolle unter dem Strich nicht schlecht ist. Ohne den Bürgern und den Betrieben wirklich weh zu tun, hat die Regierung durch eine Fülle von Maßnahmen es geschafft, die rund 2,5 Milliarden Euro aufzutreiben, um die europäischen Haushaltsauflagen zu erfüllen. Das laufende Budget des Landes ist wieder auf Kurs. Das Defizit liegt bei 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit sichtbarem Stolz verkündete Premierminister Di Rupo vor der Presse, Belgien mausere sich damit zum europäischen Musterschüler.
Eine Einigung mit Defiziten
Trotzdem ist die Art und Weise, wie das Sparziel erreicht wurde, nicht ohne Fehl und Tadel. Da wäre zunächst die Feststellung, dass rund ein Viertel der beschlossenen Sparmaßnahmen so genannte “One shots“ sind, das heißt einmalige Eingriffe, die sich in den kommenden Jahren nicht wiederholen, beziehungsweise nicht strukturell sind. Anders ausgedrückt: Einen großen Teil des Geldes, das man damit in diesem Jahr einspart, wird man künftig anderweitig suchen müssen.
Zweite Feststellung: So ganz verschont, wie es die Regierung behauptet, wird des Bürgers Portemonnaie wohl auch nicht bleiben. Angeblich müssen ja nur die Raucher und die Börsenspekulanten tiefer in die Tasche greifen. Aber wer bezahlt denn für die staatlichen Leistungen, die in diesem Sparpaket gestrichen werden? Natürlich ist es Otto Jedermann, der irgendwann dafür den Kopf hinhalten muss.
Wer soll das bezahlen, wenn nicht der Bürger ?
Oder nehmen wir die 250 Millionen Euro, die der Föderalstaat auf die Regionen und Gemeinschaften abwälzt. Wer sagt denn, dass diese die Rechnung dafür letztlich nicht dem Bürger aufs Auge drücken werden? Und wenn die belgische Post dem Staat Fördergelder von 290 Millionen Euro zurückzahlen muss, dann kann man jede Wette darauf abschließen, dass sie sich das Geld bei ihren Kunden, sprich bei der Bevölkerung, holen wird. Kurzum: Ganz so schmerzlos, wie es die Regierung darstellt, wird diese Haushaltskorrektur für die Bürger nicht sein.
Eine dritte Bemerkung, die sich die Minister gefallen lassen müssen, ist die Frage: Weshalb werden die Funktionskosten des Staates erst jetzt gedrückt? Oder anders formuliert: Weshalb hat man nicht schon längst damit angefangen? Dass Vater Staat es sich nicht leisten kann, das Geld aus dem Fenster zu werfen, müsste sich bei den uns Regierenden doch eigentlich schon längst herumgesprochen haben.
Und schließlich muss man mit einigem Bedauern feststellen, dass für die Wiederankurbelung der Wirtschaft in diesem Sparpaket nichts enthalten ist. Wenn man bedenkt, dass die belgischen Exporte in den letzten vier Jahren um insgesamt 15 Prozent zurückgegangen sind, dann wird deutlich, dass unbedingt gezielte Maßnahmen erforderlich sind, um die belgischen Produkte international konkurrenzfähiger zu machen. Nun muss man der Regierung zwar zugutehalten, dass sie nicht alles gleichzeitig oder von heute auf morgen bewerkstelligen kann, doch sollte sie nicht vergessen, die wirtschaftliche Wiederbelebung ganz oben auf ihre Prioritätenliste zu setzen.
Das hatte gerade noch gefehlt
Und dann schließlich noch eine Überlegung, die zwar mit dem am Wochenende geschnürten Paket nichts zu tun hat und trotzdem nicht ohne Auswirkungen auf die Regierung Di Rupo bleiben wird. Gemeint ist das Ergebnis einer jüngsten Meinungsumfrage, der zufolge die nationalistische N-VA in Flandern nochmals deutlich hinzugewinnt und mit über 38 Prozent der Stimmen stärker wird, als die drei flämischen Regierungsparteien Christdemokraten, Sozialisten und Liberale, zusammen.
Es ist schwer, dafür eine Erklärung zu finden, zumal ja die Föderalregierung die flämischen Forderungen in Sachen Staatsreform in ihr Programm aufgenommen hat und auch schon bald umsetzen will. Und trotzdem steigen De Wever und seine N-VA immer höher in der flämischen Wählergunst. Sollte sich die neueste Prognose im Oktober bei den Kommunalwahlen bestätigen, dann wird das die schon jetzt bestehenden Spannungen zwischen Flamen und Frankophonen in der Föderalregierung nur noch anheizen. Und noch schlimmer: Niemand weiß noch, was oder wer den Vormarsch der flämischen Nationalisten noch stoppen könnte.
Eigentlich, so hat kürzlich Le Soir behauptet, soll der König beabsichtigen, Mitte nächsten Jahres zurückzutreten, um den Platz des Staatsoberhauptes seinem ältesten Sohn, Prinz Philippe, zu überlassen. Es sei denn, Belgien geriete erneut in existentielle Turbulenzen. So wie es aussieht, könnte Albert II seine Pläne aufschieben müssen, um abermals den Feuerwehrmann für Belgien zu spielen. Bart De Wever ist mit seiner N-VA zwar nicht in der Regierung und soll in jüngster Zeit um die 30 Kilo Körpergewicht verloren haben, doch sein politisches Gewicht wird immer belastender sowohl für die Regierung Di Rupo als auch für das Schicksal des Landes.