Die Kirche sollte der Jugend zuhören, sagt der greise, aber jung gebliebene Purpurträger mit Blick auf den Erfolg der Weltjugendtage. Es gebe einen unstillbaren Durst nach Werten - auch katholischen, ist Ries sicher. Viele junge Christen hätten ihn am Samstag extra begrüßt, sagt Julien Ries, allen voran Italiener, Amerikaner, Rumänen und Afrikaner.
Es ist in der Tat bemerkenswert, dass Kirchenmänner vom Schlage des amtierenden Papstes oder des geehrten Religionswissenschaftlers ebenso einfache wie moderne Botschaften zu übermitteln verstehen, die vor allem die Herzen junger Katholiken und Christen begeistern.
Wundert es da noch, dass der Löwener Professor und preisgekrönte Autor von über 40 Büchern und über 400 Beiträgen zur Religionsgeschichte für seine Bände über die Weltreligionen für Kinder vor zwölf Jahren den Hans Christian Andersen-Preis für die beste Serie im Bereich der Kinderliteratur erhalten hat. Viele seiner Bücher sind in deutscher Sprache im Pattloch-Verlag und im Insbrucker Tyrolia-Verlag erschienen. Seine wichtigsten Werke liegen auf Italienisch, Spanisch, Rumänisch und Türkisch vor.
Wie bei früheren Konsistorien hat Papst Benedikt XVI. am Wochenende 22 Kirchenmänner ins Kardinalskollegium aufgenommen und damit für ihr Lebenswerk geehrt. Neben dem 83-jährigen deutschen Jesuitenpater Karl Josef Becker, der langjähriger Berater der Glaubenskongregation ist, waren dies der 80-jährige rumänisch-katholische Großerzbischof Lucian Muresan von Fogarasch und Alba Julia, der aus Malta gebürtige 86-jährige Bibelwissenschaftler Prosper Grech und eben Julien Ries, der als Mitbegründer der Religionsanthropologie gilt.
Religionsanthropologie
Julien Ries habe der katholischen Kirche einen wichtigen Dienst erwiesen, indem er die anthropologische Forschung zu ihrem ursprünglichen Sinn zurückgeführt habe: der Erforschung der menschlichen Natur. So würdigt das "Osservatore Romano" den greisen Kardinal. Mit besonderer Wertschätzung gegenüber dem rumänischen Philosophen Mircea Eliade habe Ries die gemeinsamen Charakteristika der Suche nach der "Berührung mit dem Heiligen in den verschiedenen Kulturen und Religionen bloßgelegt."
"Die Arbeit macht mir Spaß," verriet der neue Kardinal in einem Porträt, das inzwischen auf der Homepage des Bistums Namur veröffentlicht wurde. Früher begann er stets seinen Arbeitstag um vier Uhr morgens, heute etwas später. Sein Büro verlässt er demnach nicht vor 20 Uhr. Engen Kontakt hält Ries seit Jahrzehnten im österreichischen Bregenz zu der Priestergemeinschaft des "Werkes", das auf eine Gründung der 1997 verstorbenen Belgierin Julia Verheghe zurückgeht.
Die Inititiative "Das Werk" war 2001 von Papst Johannes Paul als eine "neue Form des gottgeweihten Lebens" anerkannt worden. Ihre Anhängerschar hatte sich denn auch am Samstag im Vatikan eingefunden, neben Gästen aus Belgien und sogar zwei Ministern der neuen Regierung Monti, die Ries schätzen. Mit dem neuen Luxemburger Erzbischof Jean-Claude Hollerich tauschte sich der neue Kardinal auf Luxemburgisch aus. Das "Luxemburger Wort" titelte entsprechend: Luxemburg hat einen Erzbischof, der Japanisch sprechen kann, Belgien hat nun einen Kardinal, der Luxemburgisch spricht.
oss/llb/wort/rkr - Bild: Alberto Pizzoli (afp)