Für die Regierung bedeutet das in der Praxis, dass wohl mindestens 1,5 Milliarden Euro zusätzlich gefunden werden müssen, um haushaltspolitisch auf Kurs zu bleiben. Derweil brodelt es weiter an der Sozialfront: Am Freitag allerdings haben sich da aber die Feuerwehrleute deutlich im Register vergriffen.
Alles hat Grenzen! Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel! Erst recht nicht für Leute, die man gemeinhin zu den "Sicherheitsdiensten" zählt. Wenn Feuerwehrleute ihr Arbeitsgerät einsetzen – man könnte auch sagen: missbrauchen, um ihrem Ärger Luft zu machen... sollte man vielleicht dieses Verhalten einmal konsequent zu Ende denken? Was wäre denn zum Beispiel, wenn die Armeeangehörigen mit ihrer Pensionsregelung nicht einverstanden wären? Müsste man dann etwa damit rechnen, dass Soldaten mit Panzern in die Rue de la Loi rollen? Oder, genauso absurd: Läuft man beim nächsten Sozialkonflikt bei der Polizei Gefahr, dass Polizisten gegenseitig mit Wasserwerfern aufeinander losgehen?
Feuerwehrleute, die nicht nur in die neutrale Zone vordringen, die Bannmeile um das Parlament, sondern auch noch den Amtssitz des Premierministers mit Löschwasser besprengen: Damit wurde eine rote Linie überschritten. Bei allem Respekt, aber ein Konflikt um das Pensionsalter erlaubt in keiner Weise die Entweihung der Symbolstätten der Demokratie! Das ist schlicht und einfach unverhältnismäßig und die Signalwirkung dieser Maßlosigkeit ist gefährlich.
Niemand ist in diesen Tagen glücklich, das sollten auch die Feuerwehrleute nicht vergessen. Niemand macht Luftsprünge, wenn ihm schmerzlich bewusst wird, dass sich seine Lebensqualität im weitesten Sinne in absehbarer Zeit, naja, nicht verbessern dürfte. Niemand köpft eine Flasche Schampus bei der Aussicht, länger arbeiten zu müssen. Und Feuerwehrleute sind auch nicht die einzigen Arbeitnehmer, die einen körperlich anspruchsvollen Job verrichten. Jeder findet gute Gründe dafür, seine Arbeit als physisch oder auch psychisch anstrengend zu betrachten und aufgrund dessen eine Ausnahmeregelung für sich zu beanspruchen.
Lange Liste von Ausnahmen
Allerdings, und das muss man auch feststellen, allerdings ist die Regierung auch nicht ganz unschuldig an der derzeitigen Unruhe.
Wenn Pensionsminister Vincent Van Quickenborne jetzt vollmundig verkündet, keine Ausnahmen in Sachen Rentenreform machen zu wollen, dann könnte man dabei nämlich fast vergessen, dass es schon eine lange Liste von Ausnahmen gibt. Wenn er sagt: "Alle müssen länger arbeiten", dann heißt das nämlich nicht "alle". Man musste beispielsweise bestehende Vorruhestandsregeln etwa für Lehrpersonen oder das fahrende SNCB-Personal respektieren. Verrechnet man all diese Sonderregelungen, dann bleibt von der Rentenreform unterm Strich anscheinend fast nichts mehr übrig: Rund 500 Millionen sollten eingespart werden. Übrig bleiben könnte davon am Ende noch rund ein Zehntel: Man spricht von 60 Millionen Euro. Klar geht es hier für die Betroffenen um Rechtssicherheit, klar kann man der Regierung nicht wirklich vorwerfen, diese Rechtssicherheit auch ihr Ehren zu halten. Dennoch darf man sich da nicht wundern, wenn diejenigen, die da durchs Netz fallen, mit ihrem Schicksal hadern. De facto sind manche Berufsgruppen, wozu auch Soldaten oder Polizisten zählen, von der Reform nicht betroffen. Das sorgt zwangsläufig für böses Blut.
Ein Pulverfass also, wo nur noch die Lunte angezündet werden musste. Und das hat dann die CDH-Innenministerin Joëlle Milquet übernommen. Sie war es, die die Forderung in den Raum stellte, dass die Lebensarbeitszeit für Feuerwehrleute nicht verlängert, sondern sogar gesenkt werden sollte, auf 58 Jahre. Dieser Vorstoß erwies sich dann als Bumerang, wie eine Zeitung es treffend formulierte: plötzlich klopften alle möglichen Berufsgruppen bei der Regierung an.
Rentenreform droht ins Leere zu laufen
Hier ist augenscheinlich etwas eingerissen: Die Rentenreform droht ins Leere zu laufen. Das allerdings ist kein Grund zur Freude, auch nicht für diejenigen, die am Ende vielleicht tatsächlich mit einem blauen Auge davonkommen. An einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit führt kein Weg vorbei. Nur eine Zahl: allein für den Öffentlichen Dienst steigt die Pensionsmasse jährlich um 500 Millionen Euro an: Im Augenblick zahlt der Staat für die pensionierten Beamten elf Milliarden Euro;,2015 werden das 12,5 Milliarden sein.
Statt gegen jede Strukturreform Sturm zu laufen, wären alle Beteiligten gut beraten, der Realität ins Auge zu blicken. Es mag vielleicht gute Gründe geben, sich dieser Realität zu verweigern: Dass unser System aus dem Ruder gelaufen ist, dass ganze Staaten zu Sklaven der Finanzmärkte geworden sind, das müssen gar einstige Propheten eben dieses Systems inzwischen mitunter selbst kleinlaut einräumen. Gerade für ein kleineres Land wie Belgien gilt aber derzeit: "Mit gehangen, mit gefangen". Es ist nicht verboten, über eine Neuausrichtung des Systems nachzudenken. Solange man aber keine neue Wohnung in Aussicht hat, ist man gut beraten, den Einsturz seines derzeitigen Hauses zu verhindern.
Reformen, oder – um im Bild zu bleiben - Renovierungen sind nötig. Statt sich ihnen zu verschließen, sollte man sich vielmehr konstruktiv in die Überlegungen einbringen, wie eine Reform umgesetzt werden soll. Das gilt für alle Beteiligten, Arbeitgeber, Gewerkschaften und auch die Regierung. Im vorliegenden Fall fehlt nämlich noch ein Aspekt: Wenn wirklich alle länger arbeiten sollen, dann müssen sie es auch können. Hier müssen sich die Mentalitäten ändern: Betriebsintern müssen die Lasten so verteilt werden, dass jeder die Arbeit zugewiesen bekommt, die seinem Alter entspricht. Pensionsminister Van Quickenborne verspricht genau hier einen Aktionsplan, der diese Grundvoraussetzungen schaffen soll. Davon abgesehen, dass ihm das vielleicht ein bisschen spät einfällt: Das kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten ein Mindestmaß an gutem Willen an den Tag legen. Löschschaum im Regierungsviertel zu verspritzen, das ist jedenfalls definitiv der falsche Weg.
Die belgische Armee müsste ihre Panzer erst "entmotten" und mittlerweile sind unsere ehemaligen Leopard 1 derart veraltet das gar die Polizei keine Angst mehr vor ihnen hat. Die Politiker haben schon gewusst warum sie die "Piranhas" bestellt haben, die sind bereift und machen den brüsseler Strassen keinen Kummer, ausserdem derart leicht zu knacken, das die Polizei ihnen ohne weiteres den Zugang zur Rue de la Loi sperren kann.