Ihre politische Marschroute will sie zwar erst in einigen Wochen präsentieren, doch steht jetzt schon fest, dass sie sich in erster Linie auf die Jugendlichen konzentrieren will, die im ganzen Land immer mehr mit dem Phänomen Armut und Ausgrenzung konfrontiert werden.
Es ist sehr schwer zu definieren, ab wann man arm ist. Offiziell arm ist jemand, der mit weniger als 900 Euro im Monat auskommen muss, doch ist das Einkommen sicherlich nicht das einzige Kriterium. Wenn zum Beispiel jemand Besitzer seiner Wohnung ist , dann lässt es sich mit diesem Betrag schon viel eher leben, als wenn man noch eine Miete zu zahlen hat.
Armut im wallonischen Landesteil viel ausgeprägter
Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass das Phänomen Armut im wallonischen Landesteil viel ausgeprägter ist als in Flandern. Den wissenschaftlichen Beweis dafür liefert eine Untersuchung der Universität Lüttich. Demnach besteht dort ein beunruhigendes soziales Gefälle im Vergleich mit Flandern: Die Lebenserwartung ist niedriger, die Zahl der Arbeitslosen größer und die Armut viel weiter verbreitet, so bestätigt Mathieu Lefebvre, einer der Autoren dieser Studie der Uni Lüttich.
Besonders gefährdet, der Armut anheim zu fallen sind hierzulande vor allem jene Jugendlichen, die bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Nach ihrer Entlassung aus einer geschlossenen Einrichtung tun sie sich besonders schwer, Arbeit oder eine Wohnung zu finden, besonders wenn sie, wie häufig der Fall, auf sich allein gestellt sind.
Erschwerend hinzu kommt für viele die Arbeitslosigkeit. So sind in Flandern 15 Prozent der Jugendlichen ohne Job, in der Wallonie 30 und in Brüssel sogar 40 Prozent.
Übrigens sollte niemand glauben, dass die Flamen allesamt als Gutbetuchte durchs Leben gehen und vor finanziellen Problemen gefeit sind. Im Gegenteil, Prekarität gibt es auch immer häufiger im angeblich so reichen Flandern. Wie ist es anders zu erklären, dass im vergangenen Jahr knapp 9.000 flämischen Haushalten der Energiehahn, sprich die Strom- und Gasversorgung, zugedreht wurde, weil sie nicht mehr in der Lage waren, die Rechnung zu bezahlen. Ein Anstieg von über zehn Prozent.
Wohnungsmangel für Bedürftige
Ein Problem, das im jüngsten Jahresbericht zur Bekämpfung der Armut besonders hervorgehoben wird, ist der Mangel an Wohnungen für bedürftige Mitmenschen. Deshalb der Vorschlag, die Mieten durch eine gesetzliche Regulierung auch für Leute mit geringem Einkommen bezahlbar zu machen.
Mehr Gerechtigkeit für Minderbemittelte im Bereich der privaten Vermietung, das hört sich zwar gut an, ist aber sicherlich schneller gesagt als getan. Sicherlich so lange es an Wohnungen fehlt, die einen ausreichenden Komfort relativ preisgünstig zu bieten haben.
Ob die neue Staatssekretärin Maggie De Block sich konkret dafür einsetzen will, bleibt abzuwarten, denn ihre politische Marschroute will sie erst in einigen Wochen präsentieren.
Die für die Armutsbekämpfung zuständigen Dienste sehen der Zusammenarbeit mit ihr jedoch zuversichtlich entgegen. Die neue Staatssekretärin kennt sehr gut den Alltag von Personen, die in der Armut leben, so meint Françoise De Boeck. Das ist sicherlich ein gutes Vorzeichen für die künftige Zusammenarbeit mit ihr.
Minister Mollers kommentiert Armutsbericht
Am Rande einer Regierungssitzung hat Sozialminister Harald Mollers den jüngsten Bericht des Dienstes zur Bekämpfung von Armut kommentiert. Er stellte unter anderem fest, dass der Zugang zu menschenwürdigen Wohnverhältnissen in Armut lebenden Menschen versperrt bleibe.
Vor allem die prekäre Situation von Jugendlichen gebe Anlass zur Sorge. Mollers stellte sich hinter die Forderungen des Dienstes, der eine bessere Unterstützung von Jugendlichen fordere. Darin wird auch empfohlen, die bestehende, schützende Gesetzgebung für minderjährige Jugendliche auf junge Volljährige zu erweitern.
Der Bericht formuliert eine Reihe von Empfehlungen, die in einer deutschen Übersetzung im Frühjahr 2012 dem Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft unterbreitet werden soll.
RDG-PI / FH
mitt/fh - Bild: Benoit Doppagne (belga)