Einige Oppositionsparteien übten am Donnerstagnachmittag harsche Kritik am Vorgehen der Regierung: ECOLO sprach etwa von einem "Fehlstart". Und sogar aus der Mehrheit kamen - wenn auch leichte - Misstöne.
Er sei wütend, sagte der ECOLO-Abgeordnete Georges Gilkinet. Wütend angesichts der Respektlosigkeit, die die Regierung an den Tag lege. Mangel an Respekt, vor allem den Sozialpartnern gegenüber.
Die flämischen Kollegen von Groen! haken ein: Ist es klug, eine derartige Reform mal eben so durchs Parlament zu schleusen, und das ohne Sozialen Dialog? Hat die Regierung etwa die Absicht, daraus eine Gewohnheit zu machen, fragt sich Wouter De Vriend von Groen.
Vorsichtige Zustimmung von CDH und CD&V
Beide sind zwar Teil der Regierung, sind aber irgendwie in einer Zwangslage: Beide Parteien stehen der CSC nahe, verfügen über starke Gewerkschaftsflügel. Der Dialog mit den Sozialpartnern sei zu kurz gekommen, gab auch Catherine Fonck von der CDH zu. Das ändere aber nichts daran, dass eine Reform der Pensionssysteme absolut nötig sei.
Stefaan Vercamer von der CD&V streift fast schon das Büßergewand über: Wir sind mit einem Streik konfrontiert, der vielleicht vermeidbar war. Man hätte den Konflikt vermeiden können, wenn man den Dialog mit den Sozialpartnern gesucht hätte. Denn eins sei sicher: Die Sachkenntnis und das Wissen um die gelebte Realität bei vielen Arbeitnehmern hätte bei der Ausarbeitung der Reform helfen können.
Die Oppositionsparteien, die weiter rechts stehen, waren derweil irgendwie in einer Zwickmühle. Inhaltlich stehen Parteien wie die N-VA oder auch die Lijst De Decker durchaus hinter der Reform. Das gab Jean-Marie De Decker auch offen zu: Diese Reform sei natürlich überfällig. Er habe nur Angst, dass die Regierung jetzt, angesichts der Proteste, einknicken könnte.
Siegfried Bracke von der N-VA treibt auch diese Angst um. Dies, zumal der Premierminister sich noch mit keinem Wort über die Pensionsreform ausgesprochen habe. "Ihnen mangelt es wohl an politischem Mut", wendet sich Bracke an Elio Di Rupo. "Wie stehen sie denn jetzt zu dem Streik? Haben die Gewerkschaften recht oder unrecht?"
Premier nimmt erstmals Stellung zu Rentenreform
Elio Di Rupo nahm persönlich Stellung zu der angestrebten Rentenreform. Und er brach sogleich eine Lanze für die Pläne: Die Regierung habe keine andere Wahl: Diese Reform ist die Antwort auf die Vergreisung der Bevölkerung: Hier gehe es auch um Generationsgerechtigkeit.
Ohne diese Reform könnten die Staatsfinanzen nicht ins Lot gebracht, könne die Zukunft der Sozialen Sicherheit nicht langfristig gewährleistet werden, betonte Di Rupo. Und hier sei Eile geboten: Damit das Land in der Spur bleibe, müsse ein Großteil der strukturellen Reformen und steuerlichen Neuausrichtungen noch vor Ende dieses Kalenderjahres unter Dach und Fach gebracht werden.
Natürlich habe man Verständnis für die Sorgen der Bürger, Verständnis auch für den Unmut bei den Gewerkschaften. Und, ja, es stimme: der Soziale Dialog, der ja zu den Grundpfeilern des belgischen Systems gehöre, dieser Dialog sei - situationsbedingt - diesmal nicht optimal gelaufen.
Deswegen auch das Bekenntnis des Premiers: das werde eine Ausnahme bleiben. Schon jetzt suche die Regierung ja den Dialog mit den Gewerkschaften. Und er könne nur hoffen, dass alle Beteiligten die dramatische Lage vor Augen haben und sich entsprechend verhalten.
belga/rkr - Archivbild: Nicolas Maeterlinck (belga)