Ja, ich gebe zu, auch ich habe Vorurteile. Die Stadt Lüttich verursacht bei mir immer ein mulmiges Gefühl. Kein Tag, an dem Agenturen nicht von Lütticher Kriminellen berichten. Hinzu kommen die ungezählten Geschichten von Studenten, die in Lüttich Zeuge oder Opfer von Raub, Diebstahl und Schlägereien wurden.
Dass aber jemand am helllichten Tag im Zentrum Kriegsgerät auspackt und wahllos in die Menge schießt, war bis Dienstag doch unvorstellbar. Deswegen gleich die ganze Stadt zu verdammen und auf ewig zu meiden, käme mir aber nicht in den Sinn.
"Ist doch klar, dass wieder ein Migrant der Täter ist!", riefen die Ersten noch am selben Nachmittag. Mal zur Erinnerung: Hans van Temsche, Ronald Janssen und Marc Dutroux sind Belgier. Nach der Logik der "Mit-dem-Finger-Zeiger" müssten wir uns also vor Belgiern hüten! Pauschalisieren kanalisiert vielleicht Wut, hilft in der Sache aber nicht weiter.
Das gilt übrigens auch für Straftäter
Es gibt nicht "die Straftäter". Hinter jedem Täter steckt ein Individuum. Und das macht es Justiz und Psychologen so schwer, im Vorfeld zu erkennen, welcher Täter gewillt ist, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren und wer eine Gefahr für die Allgemeinheit bleibt. Das Instrumentarium der Justiz ist breit und erlaubt, offensichtlich gefährliche Täter dauerhaft einzusperren.
Nur - so offensichtlich wie es im Nachhinein scheint, ist das vorher nicht zu sehen. Man kann Gedanken und Absichten nicht lesen. Es gibt Täter, die nach Verbüßung ihrer Strafe der Gesellschaft keinen weiteren Schaden zufügen. Die landen jedoch nicht in den Schlagzeilen. Das schaffen nur die Fehleinschätzungen - wie Nordine Amrani.
Warum kam er frei, obschon es widersprüchliche Einschätzungen zu seiner Persönlichkeit gab? Warum schaute niemand nach, als er plötzlich unentschuldigt bei seinem Praktikumsplatz mehrere Tage fehlt? Das sind legitime Fragen, die eine Antwort brauchen, um das Frühwarnsystem tatsächlich zu verbessern.
Auch die Gesellschaft ist in der Pflicht
Grundsätzlich vorzeitige Haftentlassungen anzuzweifeln und Täter vorzuverurteilen, führt aber nicht weiter. Früher oder später kommt fast jeder Täter wieder auf freien Fuß. Da braucht es intelligente Methoden aus Begleitung und Beobachtung, um Straftäter zurück ins normale Leben zu führen. Auch die Gesellschaft ist in der Pflicht. Pauschale Ausgrenzung darf es nicht einmal bei Kriminellen geben. Es muss für sie einen Weg zurück geben. Das nennt der Christ Nächstenliebe, der Atheist Humanität. Denn nur wer gar nichts mehr zu verlieren hat, kann alles riskieren und wird für die Gesellschaft erst recht gefährlich. Die Opfer stehen dabei außen vor. Bei gesetzlichen Strafen geht es in erster Linie um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
"Wie viel muss noch geschehen, damit endlich hart durchgegriffen wird?" ist wohl der meist geäußerte Vorwurf in diesen Tagen. Alleine der Ansatz ist falsch. Wer glaubt, Straftäter nur hart genug anpacken zu müssen, um Verbrechen auszumerzen, liegt gründlich daneben. Nirgendwo sonst in der demokratischen Welt sind die Gefängnisse so voll wie in den USA. Die Straßen sind dort aber keinen Deut sicherer als hierzulande. Am sichersten sind die Gegenden, wo es enge soziale Strukturen zwischen den Bürgern gibt, wo niemand ausgegrenzt wird.
Und dennoch: Es gibt keine totale Sicherheit und es gibt keine totale Gewissheit, wer der nächste Amokläufer, wer der nächste Verbrecher wird. Das kann ein Vorbestrafter sein genauso wie ein Unbescholtener. Akzeptieren wir es endlich, mit dem Restrisiko Mensch zu leben und versuchen in der Zwischenzeit, Emotionen zu zügeln und menschenwürdige Lösungen für den Umgang mit Verbrechen und Verbrechern zu finden. Denn nur das kann einen Beitrag zu einer besseren Gesellschaft leisten.
Es ist nicht wegzudiskutieren, dass die meisten Straftaten von vorbestraften Tätern begangen werden. Die "0-Toleranz" hat in New York sehr wohl zu positiven Ergebnissen geführt. Zu glauben, Verbrecher seien therapierbar oder es sei möglich, diese in die Gesellschaft zu integrieren, hat in den letzten Jahren schon vielen Menschenleben gekostet. Das Problem der überfüllten Gefängnisse zu lösen, indem Verbrecher, die "nur" zu kleineren Haftstrafen (Haftstrafen fallen generell eh zu gering aus) verurteilt wurden, nicht einzubuchten, hat dem ganzen Fass endgültig den Boden ausgeschlagen. Fragen Sie doch mal, was ein Vergewaltigungsopfer davon hält, wenn sein Peiniger einfach wieder frei herumläuft, nur weil Vater Staat seinen Haushalt nicht im Griff hat! DOCH: Verbrecher wegzusperren schützt die Bevölkerung sehr wohl vor weiteren Straftaten.
Gut gemeinter Kommentar, Herr Krickel,
aber wer versagt in diesem "demokratischen" Staat? Die gesetzgebende Gewalt (Legislative), die ausführende Gewalt (Exekutive) oder die rechtsprechende Gewalt (Judikative)?
Die Gesellschaft versagt Herr Meyer! Wir sollten das Leben mit seinen ganzen Facetten respektieren,
da wie Herr Krickel sagt, es keine Sicherheit gibt. Verantwortung eines jeden in der Gesellschaft wäre ratsamer wie alles an eine Märchenfigur wie Vater Staat abzugeben.
Probleme weg sperren wird die Entwicklung der Gesellschaft nicht vorantreiben.
Die Außenwelt ist der Spiegel der Gesellschaft, wieso versuchen immer alle sich als was Besseres hinzustellen. Demonstrationen, Terror und Attentate sind Ventile des Systems.
Dann warten sie mal bis es richtig brenzlig wird durch die Finanzkrise, da zeigt der Mensch sein wahres Gesicht und bei so manchem Mitmenschen werden sie nur noch sagen: "so kenne ich den ja gar nicht".
Wir leben doch in einer zum grössten Teil gespielten Nettigkeit, die immer nur zum Ziel hat einen Profit daraus zu ziehen.
Wir müssen uns unseren Problemen stellen sie akzeptieren und sie nicht weg sperren!!!
Wenn ich in der Hölle wäre nützt es mir nicht zu schreien, zu stöhnen, zu wehleiden etc. wenn ich das tue wird es immer nur schlimmer. Die Ursache weswegen ich dort bin muss ich verstehen und akzeptieren. Denn alles hier ist nur Aktion und Reaktion, den Zufall gibt es nicht. Den gebraucht man nur wenn man was nicht versteht und erklären kann.
Amerika kann man nicht so einfach mit Europa oder Belgien vergleichen. Es gibt in den USA eine ganz andere "Kriminalitätskultur" und extreme soziale Verhältnisse, die die Kriminalität fördern. Hätten die USA die gleichen Gesetze wie wir und würde sie auch noch schlecht anwenden wie wir, dann wäre dort die Kriminalitätsrate garantiert um ein Vielfaches höher.
Was hält den "Normalo" davon ab eine Straftat zu begehen? Ich glaube in den meisten Fällen ist es die Angst vor den Folgen...
@Gerhard Meyer: oder EIN Individuum?
Tatsache ist dass man in NY (sicherlich nicht an allen Orten) sicherer ist als in Lüttich.
@Hr Meyer : wenn alle 3; Legislative, Exekutive und Judikative an 1 Strang ziehen würden, dann und nur dann, kann sich etwas ändern.
@Marc Plaire: Sehr guter Gedankengang. Leider verhindern Bevorteilung und Strafvereitelung das Rechtssystem in dieser auf "Vitamin K" aufgebauten Justiz. Schau´n mer mal einfach nur nach Ostbelgien.
"Die Opfer stehen dabei außen vor."
Die armen Kriminellen und die boesen Opfer die nur gerechte strafe fordern...
Sorry das ist doch totaler bullshit. Taeter gehoeren bestraft und das aktuelle Problem ist wie bestraft wird. Vergewaltiger, Kinderschaender und Moerder kommen wieder frei und werden grossen teils weniger hart besgtraft wie jemand der den staat betruegt oder einfach nur geld stiehlt.
Denkt mal ein wenig nach Leute. Vergewaltiger, Kinderschaender und all diese Leute haben doch ein groesseres psychologisches Problem und es ist bewiesen das das probleme sind die sich ueber lange zeit aufgebaut haben, meist seid der kindheit. Sowas richtig "kurieren" braucht mindestens genau so lang... also laenger als entsprechende leben. Also wieso kurieren? Bringt doch eh nichts... Wegsperren oder erschiessen...
Und all denen die dem hier oben zustimmen wuensch ich nur mal das ihnen oder jemandem der euch nahe steht so einer ueber den weg laeuft. Mal sehen ob ihr dann immer noch der meinung seid "Die Opfer stehen dabei außen vor" wenn ihr oder jemand der euch nahe steht opfer eines wiederholungstaeters werdet