Die Gemeindeholding war virtuell zahlungsunfähig. Der Absturz der Dexia hatte ihr den Hals gebrochen. Zunächst ein Blick zurück: Dexia-Belgien, das war bis 1996 der Gemeindekredit. Wie der Name schon sagt: der Banker der Gemeinden. Und quasi seit der Gründung des Gemeindekredits 1860 waren die Kommunen Aktionäre der Bank.
1996: Der belgische Gemeindekredit geht mit dem französischen "Crédit Local de France" zusammen, die Dexia wurde aus der Taufe gehoben. Die belgischen Gemeinden wurden somit Anteilseigner der Dexia.
Verwaltet wurden diese Anteile unter einem Dach, der so genannten Gemeindeholding. Das Problem: Die Dexia-Anteile machten einen sehr großen Teil des Kapitals der Gemeindeholding aus. Klar also, dass der Absturz der Dexia die Gemeindeholding ins Schleudern bringen musste. Denn in den Büchern wurden die Dexia-Aktien noch mit 8,26 Euro geführt, nach dem Absturz waren die Papiere nur noch rund ein Zehntel Wert.
1,6 Milliarden Euro im Minus
Und spätestens als der Belgische Staat die Dexia-Bank aus der Gruppe herauskaufte, stellte sich also die Frage: Was passiert mit der Gemeindeholding, die ohne Aussicht auf Erholung knietief im Minus dümpelte? Die Regionen hatten für die Gemeindeholding gebürgt, für insgesamt 450 Millionen Euro. Das Minus wurde demgegenüber auf 1,6 Milliarden Euro beziffert.
Was tun? Wer zahlt die Zeche? Und was passiert mit der Gemeindeholding? Über diese Fragen haben die drei beteiligten Parteien fast zwei Wochen lang lautstark gestritten. Die drei Parteien, das sind: der Föderalstaat, der ja die Dexia-Bank gekauft hat und von dem die Anteilseigner auch eine Geste ihnen gegenüber erwarteten. Zweites: die Regionen, die nicht nur für die Gemeindeholding gebürgt hatten, sondern auch die Aufsicht über die Gemeinden ausüben. Und, dritter Beteiligter: die Dexia-Bank-Belgien. Denn man muss wissen: Das Gros der Kredite, die die Gemeindeholding aufgenommen hatte, ist bei ihrer Hausbank angesiedelt - und das war eben die Dexia.
Weitgehend Einigkeit bestand in einem Punkt: Man wollte die Gemeindeholding nicht einfach so Bankrott gehen lassen, keine Pleite riskieren. Um das zu verhindern, musste allerdings noch einmal Geld hineingepumpt werden. Gestritten wurde also über die Lastenverteilung: Wer übernimmt welche Anteil an der Rechnung? Klar, dass solche Fragen nicht mal eben zwischen Tür und Angel besprochen werden können.
Bis zuletzt wurde heftigst gefeilscht. Die Regionen des Landes weigerten sich in seltener Einmütigkeit, die Zeche alleine zahlen zu müssen. Am Samstag dann endlich weißer Rauch. Er könne nur allen Beteiligten seinen Dank aussprechen, sagte Francis Vermeiren, der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Gemeindeholding: Dank dafür, dass alle, die Bank, der Föderalstaat und die Regionen Kompromissbereitschaft an den Tag gelegt haben, um das Problem ein für allemal zu lösen.
Der Verwaltungsrates besiegelte dann das Schicksal der Gemeindeholding: Demnach soll sie abgewickelt werden, man spricht von einem geordneten Konkurs. Will heißen: Man sorgt dafür, dass alle Verbindlichkeiten beglichen werden und legt dann - wie der Franzose sagt: "den Schlüssel unter die Fußmatte". Sprich: Sind einmal alle Rechnungen beglichen, dann wird die Gemeindeholding aufhören, zu existieren.
800 Millionen aus Aktiva-Verkauf
Naja, nur erstmal müssen eben alle Rechnungen beglichen werden. Zu stopfen war ein Loch von 1,6 Milliarden. Zunächst wird natürlich alles verkauft, was sich noch im Besitz der Holding befindet. Und hier werde es bestimmt eine Reihe von Interessenten geben, sagt Verwaltungsratspräsident Vermeiren. 800 Millionen erhofft man sich als Erlös dieser noch verbleibenden Aktiva in der Holding. Bleiben immer noch 800 Millionen. Nun, zunächst kommt natürlich die Bürgschaft der Regionen zum Tragen: 450 Millionen Euro, wovon die Wallonische Region knapp 160 Millionen übernimmt. Zuzüglich anderer Verluste - etwa in Form von Obligationen - beläuft sich die Rechnung für die drei Regionen auf insgesamt 570 Millionen Euro.
Der Föderalstaat übernimmt etwas mehr als 130 Millionen. Die Dexia-Bank steuert ihrerseits rund 100 Millionen bei - indem sie schlichtweg auf die Rückzahlung einer entsprechenden Kreditsumme verzichtet. Die übrigen Gläubiger, darunter etwa der Versicherer Ethias, teilen sich den Rest: rund 30 Millionen Euro.
Diese Konstruktion ermöglicht es also, die Gemeindeholding am Leben zu halten, bis am 7. Dezember dann die Auflösung bei einer außerordentlichen Aktionärsversammlung offiziell verkündet werden kann. Man habe sich, so brachte es Verwaltungsratspräsident Vermeiren auf den Punkt, für eine Notladung entschieden. Eine Notlandung sei immer noch besser als ein Absturz.
Bleiben noch die Gemeinden. Und die stehen vor einem Scherbenhaufen. Allerdings war daran ohnehin schon nichts mehr zu ändern. Das Unheil war angerichtet mit dem Sturz der Dexia, damit war schon klar, dass ihre Dexia-Anteile in Rauch aufgegangen waren. Ob nun Pleite oder Abwicklung, an dieser Tatsache hätte sich sowieso nichts mehr geändert.
Die berühmten Dexia-Dividenden, die alljährlich ein willkommenes Plus beim Schnüren der kommunalen Haushalte darstellte, sind Geschichte. Man sollte sich, so sagen Experten, mit der Vergangenheit trösten: Über besagte Dividenden haben die Gemeinden über die Jahre insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro kassiert. Die Investition habe sich damit rückblickend betrachtet zumindest gelohnt.
Bild: Bruno Fahy (belga)