Der amtierende Premierminister Yves Leterme will nichts von einer akuten Schieflage bei der Dexia gewusst haben. Am Donnerstagmorgen hatten die Zeitungen De Standaard und Le Soir unter Berufung auf vertrauliche Dokumente berichtet, dass die französische Finanzaufsicht bereits Mitte vergangenen Jahres die Dexia-Bank nachdrücklich vor erheblichen Risiken gewarnt hatte. Über diese Gutachten sei die Regierung aber nicht in Kenntnis gesetzt worden, erklärte Leterme am Nachmittag in der Kammer.
War der Absturz der Dexia vielleicht doch vorhersehbar? Diese Frage steht ganz klar im Raum seit der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente durch De Standaard und Le Soir.
Unter anderem geht daraus hervor, dass erst die EU-Kommission und noch viel nachdrücklicher die französische Bankenaufsicht eindringlich vor drohenden Problemen bei Dexia gewarnt haben.
Dexia-Crédit-Local, also Dexia Frankreich, sitze auf erheblichen Risiken, die nicht abgedeckt seien, die nicht einmal genau beziffert werden könnten, heißt es in einem Schreiben der französischen Kontrollbehörde von August 2010. Die Behörde erwägt sogar ausdrücklich, Dexia-Frankreich unter Aufsicht zu stellen.
Besagte Risiken sollen zudem nach Informationen der beiden Zeitungen zumindest teilweise nach Belgien herüber gehebelt worden sein.
Von diesen Gutachten wisse er nichts, erwiderte der amtierende Premier Yves Leterme auf die wütenden Fragen einer ganzen Reihe von Abgeordneten. Die französischen Kontrollbehörden mögen ihre Informationen vielleicht sogar den belgischen Kollegen übermittelt haben - dies schreibe jedenfalls das EU-Recht vor.
Die belgische Bankenaufsicht sei aber an das Berufsgeheimnis gebunden, betonte Yves Leterme. Er könne also gar nicht informiert worden sein.
Kammer: Untersuchungsausschuss wohl erst nächste Woche
Die Kammer hat am Donnerstag zwei Anträge auf einen sofortigen Untersuchungsausschuss in der Dexia-Affaire verworfen.
FDF und Vlaams Belang hatten den entsprechenden Antrag gestellt. Die anderen Parteien in der Kammer wollen zunächst die Befragung der Notenbank und Bankanaufsicht in der kommenden Woche abwarten, bevor sie einen Untersuchungsausschuss beantrangen.
belga/okr - Archivbild: Dirk Waem (belga)