Wenn man es ihnen auch nicht anmerkt: Für Yves Leterme und Didier Reynders muss das Ganze ein Albtraum sein. Beide waren auch schon am Ruder, als Ende September erst die Fortis, dann die Dexia drohten, den Bach runter zu gehen, mitgerissen von der Subprime-Krise.
Die Fortisbank wurde bekanntlich von der französischen BNP-Paribas übernommen, Dexia überlebte nur dank einer Bürgschaft unter anderem des belgischen Staats. Das Ganze war freilich nicht ohne Folgen für die belgische Staatschuld.
Jetzt könnte man den Eindruck haben, die Geschichte wiederholt sich. Die Dexia-Aktie ist abgestürzt, der Kurs brach am zweiten Tag in Folge dramatisch ein. Zwischenzeitlich belief sich das Minus auf über 30 Prozent. Das Papier ist so gut wie das, was Börsianer einen "Penny-Stock" nennen, eine Aktie, die weniger als einen Euro Wert ist.
Eine Verkettung von Problemen
Dexia ist das Opfer einer Verkettung von Problemen. In erster Linie ist es die Griechenland-Krise, die der Dexia den Hals zuschnürt. Die Bank verfügt über ein verhältnismäßig großes Portfolio an griechischen und nebenbei auch italienischen Staatsanleihen. Diese Papiere haben ja erheblich an Wert eingebüßt. Hinzu kommt, dass Dexia in Frankreich nicht über ein Zweigstellennetz, also auch nicht über Spareinlagen verfügt.
Weil Dexia also ohnehin schon etwas wackliger dastand als vielleicht andere, sei mit jeder Hiobsbotschaft aus Athen das Misstrauen der Bank gegenüber gewachsen, sagt der RTBF-Wirtschaftsjournalist Michel Gassée. Und am Ende sei das Misstrauen eben so groß gewesen, dass die übrigen Banken der Dexia kein Geld mehr leihen wollten.
Und da gibt es nur eins: Das Vertrauen muss wiederhergestellt werden. Wie? Nun, der Dexia-Aufsichtsrat sei dazu im Anschluss an seine Krisensitzung eher vage geblieben. Anscheinend, so sagt Michel Gassée, laufe aber alles darauf hinaus, dass die Dexia-Gruppe zerschlagen werden könnte. Das könnte bedeuten: Man trennt zunächst die Spreu vom Weizen, man schaut also, welche Firmenteile rentabel sind und welche nicht, isoliert zudem die Risiko-Papiere.
Lösungen?
In der Folge gibt es mehrere Möglichkeiten oder einen Mix davon. Man kann etwa gesunde Firmenteile verkaufen - dieses Szenario kursiert für Dexia-Belgien. Und/oder: Man lagert unrentable Bereiche oder Risiko-Papiere aus. Dazu müsste eine so genannte "Bad-Bank" geschaffen werden. Der Vorteil hier: Das Damoklesschwert verschwindet vom Haupt der Bank und damit auch die Quelle allen Misstrauens.
Besagte "Bad Bank" ist aber kein Müllschlucker, der die toxischen Papiere einfach verschwinden lässt. Irgendjemand muss dafür gerade stehen, bürgen. Und dieser "Jemand", das dürfte wohl die Öffentliche Hand sein. Der amtierende Premierminister Yves Leterme machte bereits in der RTBF klar, dass der belgische Staat bereitstünde. Für den Fall, dass es einer Bürgschaft bedürfe, etwa um eine Auslagerung von Risikowerten zu ermöglichen, sei die Regierung bereit, diese Garantie zu übernehmen.
Wie sicher ist das gesparte Geld?
Eins ist sicher, sagen Leterme und auch Finanzminister Reynders im Chor: Belgien werde Dexia nicht fallenlassen. Die Kunden könnten beruhigt sein, sagt Reynders in der RTBF: Er erinnere nur daran, dass es eine Einlagengarantie gebe für ein Konto pro Kunde bei gleichwelcher Bank bis zu einer Höhe von 100.000 Euro.
Darüber hinaus könne er versichern, dass die Regierung alles, aber wirklich alles tue, um die Dexia-Bankaktivitäten in Belgien auch in Zukunft zu erhalten. Denn, man müsse wissen: Dexia-Belgien sei absolut gesund. Jetzt heißt es zunächst: abwarten. Die Regierung sei hier nicht am Drücker, machten Leterme und Reynders klar. Jetzt müsse erstmal die Bank ein Umstrukturierungsszenario vorlegen. Und das werde die Regierung dann prüfen.
Reynders wie auch Leterme legen in diesen Tagen fast schon demonstrativ Besonnenheit an den Tag. Hinter den Kulissen könnte indes, zumindest zwischenzeitlich, ein Hauch von Panik geweht haben. Denn eine Dexia-Rettung kann teuer werden. Wie teuer, das hängt auch davon ab, welchen Schlüssel man mit den Franzosen aushandelt, die ja auch angekündigt haben, für die Dexia-Gruppe notfalls zu bürgen. Und schon die Krise 2008 hat es gezeigt: Wenn wirklich die Hütte brennt, dann ist sich jeder selbst der nächste.
Bild: Dirk Waem (belga)