Regierungsbildner Di Rupo hatte am Mittwoch gesagt, dass wohl gewisse Sozialleistungen des Staates gekürzt werden müssen - auch in der Krankenversicherung - und dass neue Einnahmen unerlässlich sind.
Das heißt, dass gewisse Steuern steigen könnten. Allerdings betonte der Regierungsbildner, dass die sozial schwächsten Schichten geschont werden. Aber es werde äußerst schwierig, zum Beispiel die Pensionen weiter zu finanzieren - darüber sind sich alle einig.
Deshalb plädiert der wallonische Generalsekretär der sozialistischen Gewerkschaft, Thierry Bodson dafür, Gehälter von mehr als 8000 Euro im Monat zu 55 Prozent zu besteuern. Für die Staatskasse würde das 250 bis 300 Millionen Euro bringen. Seine Kollegin von der FGTB, Anne Demelenne, betonte nochmals, wie wichtig es ist, die Löhne zu indexieren, das heißt der Entwicklung der Lebenshaltungskosten anzupassen.
Die Gewerkschaften sind überzeugt, dass der Verzicht auf Lohnmäßigung in Belgien dazu geführt hat, dass wir im Gegensatz zu anderen Ländern wesentlich besser mit der Wirtschaftskrise fertig geworden sind, weil der Konsum weiterhin relativ hoch liegt.
Sicht der Arbeitgeberseite
Die Arbeitgeber haben bereits kritisiert, dass Di Rupo in seiner sozialwirtschaftlichen Note nicht genügend Sparmaßnahmen vorsieht, andererseits aber zu stark auf neue Einnahmen setzt. Sie befürchten natürlich, dass die Betriebe durch neue finanzielle Belastungen an Konkurrenzfähigkeit verlieren könnten.
"Di Rupo sieht in seinem Konzept vor, den Haushalt zu drei Vierteln durch neue Einnahmen auszugleichen. Das ist schlecht für das Wachstum, für die Beschäftigung und natürlich auch für den Export", so Peter Timmermans, Generaldirektor des belgischen Unternehmerverbandes.
Die belgischen Unternehmer kritisieren auch das Frührentensystem und erwarten von der neuen Regierung eine Initiative, die die Frühpensionierung von 58 auf 60 Jahre hinausschiebt. Zum einen könne der Staat, beziehungsweise die Sozialversicherung, die ständig wachsen de Zahl der Frührentner auf Dauer nicht verkraften, und zum anderen verließen dadurch zu viele Arbeitskräfte den Arbeitsmarkt.
Problem Frührente
Peter Timmermans geht davon aus, dass bei einer Fortsetzung des derzeitigen Systems der Frührenten in den nächsten fünf Jahren sage und schreibe 500.000 Menschen aus dem Berufsleben ausscheiden. Einen Teil davon wird man nicht ohne weiteres ersetzen können, so dass mit einer Beeinträchtigung des Wachstums zu rechnen wäre.
Die Gewerkschaften sind gegen eine Anhebung des Frührentenalters. Zwar finden sie auch, dass mehr Menschen über 50 im Arbeitsprozess bleiben sollten, doch die Frühpension ab 58 ist für sie unantastbar. Sie werfen der Arbeitgeberseite Scheinheiligkeit vor. "Einerseits verlangen die Betriebe eine Heraufsetzung des Frührentenalters, doch andererseits stellen sie nur wenig über-50-Jährige noch ein, nicht zuletzt, weil sie ihnen zu teuer sind", so Anne Demelenne.
Kurzum, dieses Tauziehen zwischen den Sozialpartnern macht eines deutlich: Für Di Rupo und die künftigen Koalitionsparteien wird es so gut wie unmöglich sein, bei ihren sozialwirtschaftlichen Sparbeschlüssen beide Seiten zufriedenzustellen.
Bild: Dirk Waem (belga)