Der Fußballverband hat sich wieder mal mit Ruhm bekleckert: 600 Euro für "Les Wallons c'est du caca" ist lächerlich und fahrlässig: Entweder null Euro, also gar keine Geldstrafe, oder 60.000 Euro, eine richtige. "Rassismus dürfe nicht mit Folklore verwechselt werden", sagte Regionalminister Antoine, der rechtliche Schritte prüfen lässt.
Das ist gar nicht abwegig, man ersetze den Namen der Geschmähten durch "Araber", "Juden" oder "Schwarze", beziehungsweise durch die entsprechenden Schmähworte, und der Teufel wäre los. Und der Straftatbestand des Moureaux-Gesetzes wäre erfüllt. Das 30-jährige Bestehen des Gesezes wurde in diesen Tagen gewürdigt, es hatte Belgien früh an die Spitze des Anti-Diskriminierungskampfes gesetzt. Inzwischen ist die Waffe zum Teil abgestumpft, das musste auch Philippe Moureaux zugeben, seit die, die es abhalten soll, das Wort "Araber" oder "Maghrebiner" durch "Moslems" oder "Islamisierung" ersetzt haben.
Es war ein farbiger Schiedsrichter gewesen, der das Spiel unterbrochen hatte, Belgiens weißer Vorzeige-Schiri hatte sich in einem früheren Fall nicht dazu durchgerungen. War es, weil der Mann, der jetzt Genk-Standard pfiff, durch seine Hautfarbe dafür besonders sensibel ist, oder zeigte er sich etwa übersensibel? In letzterem Fall wäre es dann Fankultur. Dann wären 600 Euro ein Eingeständnis von Unvermögen, damit umzugehen, oder ein Signal, nicht frei von Krampf, den erneuten Vorfall nicht hoch hängen zu wollen, um ihn nicht aufzuwerten.
Aber hat es nicht so, oder so ähnlich, in Jugoslawien begonnen? Man darf gespannt sein, wie es auf rechtlicher Ebene weiter geht und anschließend auf den Rängen.
Begonnen hatten die Schmähgesänge eigentlich im Zuge des Dutroux-Falls und der damit verbundenen Ermittlungsskandale. Die, die sie damals beschwichtigten, die damaligen Gesänge, damals mit dem Prädikat "pädophil", haben sie schön geredet mit dem Hinweis, gesellschaftliche Wunden müssten aufbrechen, bedürften eines Kanals.
Sicherlich, aber nicht im Stadion, sondern im Geschworenenprozess. Und deshalb darf der Schritt des Vorsitzenden der Anwaltskammer im Gerichtsbezirk Tongern kritisiert werden: Er hat den Anwälten im Ronald Janssen-Prozess verboten, mit der Presse zu kommunizieren. Er will nicht, dass sich der Fallschirmprozess wiederholt. Verständlich, dass er sagt, der Bürgersteig vor dem Gericht sei keine Theaterbühne. Doch er verkennt dabei, dass der Geschworenenprozess nicht nur der Urteilsfindung dient. Er dient auch der Auseinandersetzung mit den Abgründen der menschlichen Seele. Das aber bedarf, gesellschaftlich und individuell, einer Form von Konfrontierung, und der Hoffnung auf Läuterung oder Khatarsis.
Sicherlich, wenn das Böse in Gestalt des netten Nachbarn auftritt. Nicht ohne Grund haben die Nachbarn des netten Berufsschullehrers psychologische Hilfe gesucht, vor Prozessbeginn, die VRT zeigte es eindringlich in einer Fernsehreportage.
Das Böse ist im Menschen und manche Menschen lassen dieser erschreckenden Wahrheit Lauf. Deshalb hat der Verfassungsgeber von 1830 bei Staatsgründung die Geschworenengerichte ja geschaffen: bewusst als außerordentliche Gerichte. Dummerweise tragen sie als solche früheren Vorstrafen nicht Rechnung, und nur deshalb durfte Michelle Martin jetzt bereits zum fünften mal ihre vorzeitige Freilassung beantragen, wenn auch vergeblich. Hier sollte der Gesetzgeber ein Korrektiv anbringen, nicht aber das Geschworenengericht als solches abschaffen.
Schon vor dem Verfassungsgeber von 1830 hatten die Gründerväter unserer Rechtskultur, John Locke und Montesquieu - Joseph Ratzinger liess sie bei seiner Aufzählung im Deutschen Bundestag aus, er nannte nur Jerusalem, Athen und Rom - hatten also die Gründerväter der Rechtskultur ihr die Gewaltentrennung als Fundament gegeben. Dass die Generalanwälte aus dem Gerichtsbezirk Antwerpen sich im Rechtsausschuss der Föderalen Kammer rechtfertigen mussten und Justizminister De Clerck aus Protest fern blieb, hat dann auch damit zu tun, dass sie den Gesetzgeber offen und frontal kritisiert hatten, in ihren Reden zur Eröffnung des Justizjahres. Der Vorgang - und die Rechtfertigung der Magistrate, anders würden sie ja nicht gehört - dürfte noch ganze Heerscharen von Rechtsprofessoren, Assistenten und Studenten beschäftigen.