Gleich gegenüber vom kleinen Rathaus von Kraainem betreibt Jacinta seit 15 Jahren ein Café. Der Brasilianerin war damals nicht klar, wo sie sich niederlässt. Sie dachte nur: „in der Nähe von Brüssel“.
Dass sie mitten in Belgiens Sprachenstreit landen würde, das hat sie bis heute nicht so recht begriffen. Doch in ihrem Café wird darüber nicht gesprochen. Die Streitigkeiten im Rathaus gegenüber sind nur selten ein Thema.
Kraainem ist eine kleine Kommune, zählt etwas mehr als 10.000 Einwohner und ist nur ein paar Kilometer von Brüssel entfernt, aber Kraainem liegt in Flandern. Fast 80 Prozent der Bevölkerung spricht hier Französisch. Die Verwaltung ist zweisprachig.
Nicole und ihre Freundin wohnen seit fast 50 Jahren hier - beide stammen ursprünglich aus Brüssel. Flämisch haben sie nie richtig gelernt, sagen sie, weil sie es im Alltag kaum brauchen, wie die meisten Französischsprachigen in den flämischen Radgemeinden.
Der Bürgermeister von Kraainem ist gar kein Richtiger, obwohl er von der Mehrheit der Bürger in seiner Kommune gewählt wurde. Er ist nur geschäftsführend im Amt. Genau wie seine Kollegen aus Linkebeek und Wezembeek-Oppem. Die flämische Aufsichtsbehörde hat sie bis heute nicht ernannt.
Fast fünf Jahre liegen die Kommunalwahlen mittlerweile zurück. Die Bürgermeister haben die Wahlaufforderungen damals auch auf Französisch verschickt. Dürfen sie laut flämischer Gesetzgebung aber nicht, sagt die Aufsichtsbehörde und verweigert seitdem die Ernennung. Die meisten Bürger können das nicht nachvollziehen.
Bürgermeister und Aufsichtsbehörde werden sich nicht einig. Beide haben eine andere Vorstellung und legen die Gesetzestexte nach ihrer Lesart aus. Im Grunde genommen stehen sie vor demselben Problem wie die Unterhändler am Verhandlungstisch. BHV, die Bürgermeister in den Randgemeinden, das neue Finanzierungsgesetz und die Staatsreform … die Beratungen von Regierungsbildner Elio Di Rupo und den acht Parteien werden wohl noch eine Weile dauern.
Bild: Benoît Doppagne (belga)
Die Bürgermeister sind gewählt, damit hat es sich - ernannt werden durch einen flämischen Premier wöllte ich nicht einmal, der Wähler ist die "höchste" Instanz, nicht der flämische Innenminister oder Premier...