PS-Parteichef und Regierungsbildner Elio Di Rupo setzt seine Sondierungsgespräche diese Woche mit weiteren Einzelgesprächen fort. Er trifft sich hierzu heute (Dienstag) mit seiner Parteigenossin Laurette Onkelinx und dem Vorsitzenden der flämischen Liberalen von der OpenVLD, Alexander De Croo.
Die Bemühungen, doch noch eine Koalition zu schmieden, gehen also weiter, doch das Klima, in dem gearbeitet wird, ist nicht das beste. Die Atmosphäre ist gespannt. Am Montag hat der Parteichef der N-VA, Bart De Wever, die flämischen Parteien zur Bildung einer einzigen Front gegen die Französischsprachigen aufgerufen. In deren Reihen entstehen derzeit Misstöne durch Äußerungen des MR-Vorsitzenden Charles Michel.
Angriff ist die beste Verteidigung
In einem Interview, das heute von der Brüsseler Tageszeitung "Le Soir" veröffentlicht wird, wirft der MR-Parteichef nicht nur der N-VA vor, in Sachen Staatsreform für die verfahrene Situation verantwortlich zu sein, sondern geht auch mit der französischsprachigen Linken - allen voran natürlich mit der PS - hart ins Gericht. Und zwar, weil sie nach Ansicht Michels in sozialwirtschaftlichen Fragen zu konservativ aufgestellt ist, zum Beispiel Steuersenkungen für Klein- und Mittelverdiener ablehnt und auch von einer Reform der Arbeitslosenunterstützung nichts wissen will. Gleiches gelte übrigens für eine Rentenreform, fügt Charles Michel in dem Interview mit Le Soir hinzu.
Michel räumt zwar ein, dass die Wahlen vom 13. Juni 2010 in der Wallonie eine Mitte-Links-Mehrheit herausgeschält hätten, dass dies aber den Wahlausgang in Flandern und in Brüssel nicht widerspiegele. Für ihn muss deshalb die nächste Föderalregierung deutlich liberale Züge haben - also eine Mitte-Rechts-Regierung werden.
Selbst wenn man auf eine neue Regierung weiter warten müsse, werde man im Parlament auf solche Politikziele hinarbeiten, sagt er. Als Beispiel nennt Michel eine Anpassung der Höchstbeträge bei den Nebenverdiensten von Rentnern. Die werden nach Ansicht des MR-Parteichefs derzeit viel zu stark gedeckelt. Für die PS sei das ein Tabuthema, so Michel, aber das könne ihn nicht daran hindern, die Debatte hierzu in der Kammer neu zu lancieren.
Angriff auf Di Rupo
In dem Gespräch mit "Le Soir" kritisiert Michel unverhohlen PS-Parteichef Elio Di Rupo. Dieser könne nicht von sich behaupten, für eine Front (also für alle französischsprachigen Parteien) zu sprechen. Denn die MR habe andere Vorstellungen als PS oder die cdH. Man stehe damit vielleicht auf der Ebene der Französischsprachigen im Abseits, auf föderaler Ebene aber sei die Meinung der MR die einer Mehrheit.
Man kann also festhalten: Spekulationen über Neuwahlen im Herbst machen derzeit die Runde - Charles Michel tritt deshalb als Taktiker auf, positioniert sich und kritisiert die von ihm als konservativ titulierte Linke. Michel weiß, dass die PS für eine nächste Regierung unumgänglich ist, er aber (im Gegensatz zu Elio Di Rupo) nicht Premier werden will und kann, und die Kritik an der PS für ihn deshalb zur reinen Taktik wird.
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