Deutlich mehr Anzeigen als früher. Das lässt aufhorchen, vor allem, wenn der Trend auf eine Verdoppelung der Anzeigen in diesem Jahr hinauslaufen könnte.
Nach Angaben des Sprechers der föderalen Finanzbehörde, Francis Adyns, sind nicht einmal die Anzeigen erfasst, die möglicherweise bei den Regionaldirektionen eingegangen sind.
Die Beamten der föderalen Finanzbehörde stünden vor einem Rätsel. Sie könnten sich die explosionsartige Zunahme der Denunzierungen nicht erklären, so der Behördensprecher gegenüber der Zeitung. Die meisten Anzeigen gingen per e-mail oder per Brief ein. Zahlen auf Landesebene gibt es also nicht. Im Prinzip kann ohnehin jeder der etwa 27.000 Beamten Adressat einer Denunzierung sein.
Eine Nachfrage bei den hiesigen zuständigen Stellen ergab aber, dass der angebliche Trend für Ostbelgien nicht bestätigt werden kann. Im übrigen wurde darauf verwiesen, dass dass Gebiet der Deutschsprachigen Gemeinschaft ohnehin eine zu kleine statistische Einheit darstelle, um seriöse Schlussfolgerungen hinsichtlich einer Zu- oder Abnahme von Anzeigen ziehen zu können.
Neid als Motiv
Bei den Anzeigen zeigt sich anscheinend die ganze Bandbreite menschlichen Zusammenlebens. Die reicht vom geschassten Mitarbeiter, gelinkten Handwerker über den neidischen Nachbarn, ehemalige Freunde und Geschäftspartner bis hin zu Ehefrauen. Als besonders gefährlich gelten anscheinend betrogene Ehefrauen, wobei ein Fachanwalt gegenüber der Zeitung zu bedenken gibt, dass im Verlaufe des Verfahrens gegen die betrogene Ex wegen Komplizenschaft oder als Mittäterin ebenfalls ermittelt werden könnte. Die Anzeige sei unter Umständen also auch nicht risikolos für den Absender.
Er erhalte sogar Anzeigen über Facebook, bekennt Finanzminister Didier Reynders gegenüber der Zeitung. Zumeist handele es sich aber um Fälle von Schwarzarbeit, schwächt der langjährige Ressortchef ab. Im übrigen sei die Verfolgung solcher Anzeigen nicht das Kerngeschäft der Finanzämter. Die Senkung der Lohnnebenkosten sei nach seiner Einschätzung ohnehin das probatere Mittel zur Bekämpfung des Sozialbetrugs, der viel lohnender als die Steuerhinterziehung sei.
Der Boomerang-Effekt
Als Grund für die gesunkene Toleranz gegenüber Steuersündern sieht auch Reynders einen Mentalitätswandel vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenperiode. Übrigens: Sollte sich eine Anzeige als unbegründet herausstellen und sich, verbunden mit erheblichem Zeitverlust für das Finanzamt, nachteilig auf die Steuerverwaltung auswirken, dann kann die Föderale Finanzbehörde den Spiess umdrehen. Eine Klage gegen den Absender oder die Absenderin der Anzeige ist dann gewiss.
Bild: Chris Livingston (epa)