Während das deutsche Krisenmanagement mehr und mehr in die Kritik gerät - auch innerhalb Deutschlands -, hat die EU-Kommission am Montag Hilfen für die geschädigten Bauern angekündigt.
Wieder ein Fehlalarm? Deutschland erscheint zunehmend hilflos bei der Suche nach der Ursache für die EHEC-Epidemie. Erst Gurken, inklusive Salat und Tomaten, dann eine angeblich wirklich heiße Spur: Sprossen von einem Biohof in der Lüneburger Heide. Und doch bleibt bis auf weiteres das Eingeständnis: Wir wissen es nicht.
Die EU-Kommission hat inzwischen ein Expertenteam nach Berlin entsandt, um die deutschen Kollegen bei ihrer Suche nach der Infektionsquelle zu unterstützen, wie auch Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde-Hansen erklärte.
EHEC ist aber nicht nur eine Epidemie, die insbesondere in Norddeutschland längst ein durchaus beängstigendes Ausmaß angenommen hat. EHEC steht auch für eine - in seiner internationalen Tragweite - fast schon beispiellose Krise für die europäische Landwirtschaft. Nach den deutschen Warnungen vor spanischen Gurken aber auch Salat und Tomaten ist die Nachfrage dramatisch eingebrochen. Doch sei das kein rein spanisches Problem, machte Roger Waite klar, der Sprecher von EU-Agrarkommissar Ciolos. Die Krise habe längst eine europäische Dimension angenommen.
Die föderale Landwirtschaftsministerin Sabine Laruelle sieht das genauso. In Belgien, insbesondere im Norden des Landes, beliefen sich die Verluste derzeit auf drei Millionen Euro pro Woche. In anderen Ländern sei die Lage bedeutend dramatischer. Deshalb bedürfe es hier auch europäischer Solidarität, sprich: Man müsse nach Wegen suchen, um die betroffenen Bauern zu entschädigen.
Mit dieser Meinung stand die MR-Politikerin längst nicht alleine da. Spanien, wo der Sektor nach Branchenangaben Verluste von über 200 Millionen Euro pro Woche hinnehmen musste, pochte von Beginn an auf EU-Hilfen. In Brüssel hat man den Ruf gehört. Am Dienstag kämen die EU-Agrarminister zu einer Krisensitzung zusammen, sagte eine Kommissionssprecherin. Und dabei werde die EU-Kommission den Ressortchefs einen konkreten Vorschlag unterbreiten mit Blick auf kurzfristige Hilfen für die betroffenen Landwirte.
Wie diese Hilfen aussehen sollen, dazu konnte man in Brüssel noch keine Angaben machen. Nachvollziehbar, denn: Der Vorschlag muss ja erstmal im Agrarministerrat austariert werden. "Wir hoffen, dass dabei zumindest eine Grundsatzeinigung herausspringt", sagt der Kommissionssprecher. Auf dieser Grundlage werde dann die Rechtsabteilung so schnell wie möglich einen Gesetzestext ausarbeiten.
Dass es überhaupt so weit kommen musste, dafür machen nicht wenige Deutschland und vor allem die wiederholten Fehlwarnungen verantwortlich. Spanien will gar für alle Verluste, die der heimische Agrarsektor erlitten hat, Deutschland zu 100 Prozent in Regress nehmen. Die föderale Landwirtschaftsministerin Sabine Laruelle sagt es zwar nicht offen, ist aber auch nicht wirklich angetan vom Krisenmanagement im Nachbarland.
Diplomatisch formuliert klingt das so: wenn die Krise einmal vorbei ist, müssen wir auf EU-Ebene die Lehren daraus ziehen, sagt Laruelle. Und dann müsse tatsächlich auch einmal analysiert werden, was in Deutschland genau passiert ist und warum die Suche nach der Kontaminationsquelle so lange gedauert hat.
Und Laruelle fügt vielsagend hinzu: Man müsse in jedem Fall dafür sorgen, dass EU-weit in Sachen Lebensmittelsicherheit dieselben Standards gelten.
Deutschland lässt bislang die Kritik an seinem Krisenmanagement weitgehend abperlen. Fehlwarnung hin oder her: Im Sinne der Transparenz habe man keine andere Wahl gehabt, als so zu handeln, wie man es getan habe, sagte die deutsche Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz in Luxemburg.
In Belgien bleibt ihrerseits die so genannte AFSCA, also die Föderale Agentur für Nahrungsmittelsicherheit, wachsam: Nach Gurken, Tomaten und Salat stünden jetzt auch Sprossen unter Beobachtung, hieß es. Während inzwischen auch erste Erkrankungen etwa aus Polen oder Luxemburg gemeldet wurden, gibt es in Belgien noch keinen offiziellen EHEC-Fall.
Bild: Philipp Schulze (epa)