Der EHEC-Erreger, der in Deutschland inzwischen flächendeckend Anlass zur Besorgnis gibt, ist in Belgien noch nicht auffällig geworden. Während deutschlandweit die Zahl der Darminfektionen und Verdachtsfälle auf gut 2000 angestiegen ist, melden Krankenhäuser hierzulande keinen einzigen Fall der Infektion mit dem äußerst aggressiven und wandlungsfähigen Erreger.
Nachdem eine Identifizierung des jetzt aufgetretenen Stamms der Bakterien gelang, steht fest, dass spanische Gurken nicht für die Ausbreitung des Erregers gesorgt haben. Der Verdacht, der EHEC-Erreger sei mit Gurken aus Spanien eingeschleppt worden bestätigte sich damit nicht. Unterdessen werden inzwischen auch Infektionsfälle aus Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden gemeldet.
Deutschland und Spanien setzen sich für EU-Hilfen ein
In der EHEC-Krise wollen sich Deutschland und Spanien um EU-Hilfen für die betroffenen Bauern bemühen. Das vereinbarten Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Zapatero in einem Telefonat. Einzelheiten wurden noch nicht verabredet.
Vorrang habe es jetzt, die Infektionsquelle für die Darmkrankheit zu finden. Vor allem spanische Bauern haben Probleme, ihre Ernte zu verkaufen, nachdem eine Variante des EHEC-Keims auf ihren Gurken entdeckt worden war. Später stellte sich heraus, dass es sich dabei nicht um den Auslöser der Infektionen handeln kann. Der Erreger grassiert in Deutschland weiter. Inzwischen gibt es 17 Todesfälle.
Russland hat wegen der EHEC-Fälle die Einfuhr von Gemüse aus der gesamten Europäischen Union verboten. Die EU-Kommission sprach von einer Überreaktion und forderte die Rücknahme des Einfuhrstopps.
Erbgut des EHEC-Erregers entziffert
Im Kampf gegen den aggressiven EHEC-Erreger haben Forscher einen wichtigen Schritt gemeistert: Sie kennen nun das Erbgut ihres Gegners. «Es handelt sich um eine so noch nie gesehene Kombination von Genen», sagte der Bakteriologe Holger Rohde am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Nun fahnden die Forscher unter Hochdruck nach einer Therapie gegen die tödliche Darmkrankheit.
Experten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben mit Hilfe chinesischer Kollegen das Genom des grassierenden Erregers gelesen. Demnach handele es sich um eine gefährliche «Chimäre» - eine Art Kreuzung -, die Eigenschaften zweier Erregertypen in sich vereint. Diese lösten das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) aus, der besonders schweren Verlaufsform der Krankheit, erläuterte Rohde.
Für die Entstehung des Hybrid-Klons haben allem Anschein nach zwei Bakterien Teile ihrer Erbsubstanz miteinander ausgetauscht. Damit gehen Eigenschaften eines Keimes auf andere über, es kommt zu Mischformen - den Chimären. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf betonte, dieser Hybrid-Klon sei noch nie beobachtet worden.
Forscher des Universitätsklinikums in Münster, wo jüngst ein EHEC-Schnelltest entwickelt worden war, zeigten sich optimistisch. «Wir erhoffen uns im Laufe der nächsten Woche Hinweise zur Verhinderung weiterer Infektionen», sagte Prof. Dag Harmsen dem Radiosender HR-Info. In Münster war es Forschern ebenfalls gelungen, das EHEC-Erbgut zu entschlüsseln. Mit den bisherigen Erkenntnissen könne Patienten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geholfen werden.
dpa/vrt/rtbf/aho/jp/est