Seit 1996 wird dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit geschenkt: seitdem wird nämlich der 28. April als der "Welttag für Arbeits- und Gesundheitsschutz" begangen.
Die Föderale Arbeitsministerin Joëlle Milquet hat diesen heutigen "Welttag" zum Anlass genommen, um noch einmal auf einen ganz besonderen Aspekt hinzuweisen: das Thema "Mobbing am Arbeitsplatz".
Beispiele
November vergangenen Jahres. Unfassbare Bilder machen die Runde. Photos von einem Mitarbeiter des Unternehmens MACTAC in Soignies, der an eine Holzpalette gefesselt, von seinen Kollegen malträtiert wird. Gefilmt wurde das Ganze von einem Gewerkschafter.
Szenenwechsel. Der vergangene 1. April. Zeitungen berichten über den Fall des 43-jährigen Marcus Van den Abeele. Der hat seinem Leben ein Ende gesetzt. Für seine Mutter gibt es für den Selbstmord nur einen möglichen Anlass: Marcus wurde von seinen Kollegen massiv gemobbt. Unter anderem wurde er mit giftiger Farbe übergossen. Mehrmals hatte er sich bei Vorgesetzten beschwert, sogar Anzeige erstattet. Ohne Erfolg. Und irgendwann, so ist seine Mutter überzeugt, irgendwann hat Marcus Van den Abeele in seiner Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr gesehen.
Zwei Fälle, die wohl nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Nach EU-Erhebungen wurden in Belgien schon zehn Prozent der Frauen und acht Prozent der Männer das Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz.
Dabei ist das längst kein Tabuthema mehr. Ganz im Gegenteil, sagt Arbeitsministerin Joëlle Milquet. Belgien gehöre wohl zu den Ländern mit der umfassendsten Gesetzgebung in Sachen Mobbing. Drei Standbeine: Prävention, eine informelle Phase, in der sich Vertrauenspersonen um eine Lösung bemühen und dann am Ende, wenn alle Stricke reißen, angepasste gerichtliche Prozeduren.
Dünnes Eis
Man bewegt sich hier oft auf dünnem Eis. Es fängt schon beim eigentlichen Tatbestand an: Ab wann kann man von Mobbing sprechen? Ein Mensch kann sich gemobbt fühlen, ohne dass es eine entsprechende Absicht gibt. Nächstes Problem: wie beweist man, dass man gemobbt wird? Und wie fasst man das Ganze dann in Gesetze und Prozeduren? Klar, dass das nicht gleich perfekt funktionieren kann.
Deshalb hat man also ein Forscherteam der Uni Löwen damit beauftragt, das bestehende Regelwerk auf seine Praxistauglichkeit hin abzuklopfen. Die Wissenschaftler haben dazu insgesamt über 1.300 Akteure befragt, Vertrauenspersonen, Gewerkschafter, aber auch Anwälte und Richter.
Verbesserungsvorschläge
Grob zusammengefasst könnte das Fazit dieser Erhebung lauten: Die Akzeptanz ist da, es bedarf aber noch einer Reihe von Korrekturen. Zum Beispiel müsse man noch viel mehr Sensibilisierungsarbeit leisten. Die Menschen müssten wissen, dass sie nicht alleine seien, dass notfalls eine Auffangstruktur zur Verfügung stehe. Dann müssten die Tatbestände noch präziser definiert werden. Zum Beispiel müsse man auch darüber nachdenken, wie man mit Themen wie Burn-Out oder Überforderung umgehe, bei denen es sich nicht um klassisches Mobbing handele.
Anderer Verbesserungsvorschlag: Man sollte die Bezeichnung einer Vertrauensperson in jedem Unternehmen zur Pflicht machen. Kleine Unternehmen müssten ja nicht notwendigerweise intern eine solche Person benennen, sondern könnten auf zuständige externe Dienste zurückgreifen, sagt Joëlle Milquet. Wichtig sei nur, dass jeder Arbeitnehmer wisse, dass es für den Fall der Fälle einen Ansprechpartner gibt.
All diese Vorschläge gehen nun an den zuständigen Kammerausschuss. Der Arbeitsministerin sind ja wegen der famosen "laufenden Angelegenheiten" weitgehend die Hände gebunden. Milquet zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Anpassungen der entsprechenden Gesetzestexte noch vor dem Sommer abgeschlossen werden könnten.
Bild: belga