"Wir leben in unruhigen Zeiten", diesen Satz hört man häufig. Und das Jahr 2025 war wieder ein treffendes Beispiel dafür, denn nichts scheint mehr so zu sein, wie es einmal war. Die Nachkriegsordnung wirkt brüchig, fast schon wie Vergangenheit.
In der Ukraine dauert der Krieg auch fast vier Jahre nach dem russischen Angriff unvermindert an. Im Gazastreifen hat sich in diesem Jahr das Tor zur Hölle aufgetan. Und in Washington sorgt Präsident Trump mit seiner ebenso erratischen wie rücksichtslosen Politik immer wieder dafür, dass die Welt den Atem anhält.
Auch innenpolitisch war es ein bewegtes Jahr. Für den neuen Premierminister Bart De Wever wurde 2025 zur politischen Achterbahnfahrt. Doch trotz einiger handfester Krisen hält seine Regierung bislang Kurs.
Fünf Parteien verhandeln Anfang 2025 über eine neue Regierung - immer noch. Am 7. Januar hat Bart De Wever wieder einen Termin im Palast. Es ist der 17. seit der Wahl vom 9. Juni 2024. Ein letztes Mal verlängert König Philippe die Mission des Regierungsbildners. Bis zum Ende des Monats muss demnach die Regierung stehen, der 31. Januar wird zum Schicksalstag. Um 21 Uhr wird dann tatsächlich 'Weißer Rauch' gemeldet.
Das wohl prägendste Ereignis des Jahres findet in diesen Januar-Tagen aber nicht in Brüssel statt, sondern in Washington. Am 20. Januar legt Donald Trump zum zweiten Mal den Eid auf die Verfassung ab und wird zum 47. US-Präsident.
Am 3. Februar legt Bart De Wever in den drei Landessprachen den Eid auf die Verfassung ab. König Philippe wünscht dem neuen Premierminister beim Neujahrsempfang im Palast alles Gute für die kommende Legislaturperiode und erinnert noch einmal an die enormen Herausforderungen, die auf das Land und Europa warten. "Unser Kontinent ist bedroht, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch."
Diese doppelte Feststellung zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Jahr. Den Europäern scheint mit einem Mal bewusst zu werden, dass sie die großen Herausforderungen regelrecht verschlafen haben. Wirtschaftlich hat man die wichtigen Züge in Richtung Zukunft erstmal verpasst und auch militärisch ist der Alte Kontinent nicht auf der Höhe.
Mitte Februar bekommt es Europa dann "um die Ohren gehauen": US-Vizepräsident J.D. Vance ist zu Gast bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Und dabei beschränkt er sich nicht darauf, die Partner noch einmal dazu zu ermahnen, mehr Geld für ihre Verteidigung auszugeben. Er hält den Europäern eine Standpauke, wirft ihnen vor, die Demokratie und die Meinungsfreiheit zu missachten.
Der neue Verteidigungsminister Theo Francken fordert vier Milliarden Euro zusätzlich für die Landesverteidigung, um noch in diesem Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der Nato (das später im Jahr auf fünf Prozent angehoben wird) zu erreichen. Damit ist die Haushaltsplanung der neuen Regierung keine vier Wochen nach Abschluss des Koalitionsvertrags schon Makulatur.
Auch an der "Heimatfront" bekommt die neue Regierung keine Schonzeit eingeräumt. In Brüssel eskaliert im Februar die Drogengewalt. Es bleibt nicht bei Schusswechseln, bald sind die ersten Todesopfer zu beklagen.
Mitte Februar gehen CSC, FGTB und CGSLB gegen die Spar- und Rentenpläne der Regierung auf die Straße, für Ende März rufen sie zum Generalstreik auf. Es sind nicht die letzten Streiks und Proteste gegen die Politik der Arizona-Koalition.
Am 2. April kündigt US-Präsident Trump auf einer denkwürdigen Pressekonferenz eine regelrechte Welle von neuen Schutzzöllen an. Trump spricht vom "Liberation Day" ("Befreiungstag"). Ende Juli einigen sich die USA und EU auf ein neues Handelsabkommen; doch bleiben viele Fragen offen.
Am Palmsonntag präsentiert die Föderalregierung ihr Osterabkommen mit "einigen Reformen, die man mit Fug und Recht als historisch bezeichnen kann", wie es Premier De Wever ausdrückt. In dem Abkommen hat die Regierung einen stattlichen Teil ihres Koalitionsabkommens konkretisiert: eine Pensionsreform, eine verschärfte Migrationspolitik und die zeitliche Befristung des Arbeitslosengeldes.
Am Ostermontag, dem 21. April, stirbt Papst Franziskus in Rom im Alter von 88 Jahren. In dieser Zeit richten sich die Blicke der Welt wieder auf den Nahen Osten. Der Gazakrieg ist in eine neue Phase eingetreten. Mitte März hat Israel die geltende Waffenruhe für beendet erklärt. Erst wird der Küstenstreifen massiv bombardiert, im April folgt dann eine neue Bodenoffensive.
Nicht nur die Weltlage sorgt im Frühling für Aufregung. In einem Brüsseler Park kommt es zu einer Tragödie. Der elfjährige Fabian liefert sich mit seinem E-Roller eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Es kommt zum Zusammenstoß, Fabian erliegt später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Der tragische Zwischenfall sorgt für Bestürzung, aber auch Wut.
Mitte Juni trifft die Regierung eine Entscheidung, die insbesondere für die Deutschsprachige Gemeinschaft unschöne Folgen haben wird. Die Regierung einigt sich formell darauf, den Senat zum Ende dieser Legislaturperiode 2029 definitiv zu schließen.
Das Tomorrowland-Festival macht weltweit Schlagzeilen. Ein Brand zerstört am 16. Juli den Großteil der Hauptbühne und die riesige Techno-Fete steht auf der Kippe. Die Veranstalter schaffen das scheinbar Unmögliche: Tomorrowland 2025 findet statt, wenn auch ohne seine berühmte Hauptbühne.
Am Nationalfeiertag präsentieren Premier De Wever und seine fünf Vizepremiers stolz ihr Sommerabkommen. Das Reformpaket umfasst eine Reihe von einschneidenden Maßnahmen, vor allem in den Bereichen Arbeitsmarkt und Pensionen. Das Leitmotiv: "Arbeit muss sich wieder lohnen". Aber auch hier wird sich zeigen, dass viele Punkte noch nicht bis ins Detail geklärt sind. Nach dem Abkommen ist bei dieser Koalition immer vor dem Abkommen.
Außerdem streitet die Koalition über Strafmaßnahmen gegen Israel. Im Juni hat die israelische Armee Ziele im Iran angegriffen. Die Gefahr ist groß, dass der Nahe Osten regelrecht explodiert. Aber auch im Gazastreifen wird die Situation immer verzweifelter. Schon Mitte Juni gehen in Brüssel 75.000 bis 100.000 Menschen auf die Straße, um gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen zu protestieren.
Anfang August beteiligen sich die belgischen Streitkräfte an einer internationalen Hilfsmission. Insgesamt 12 Airdrops werden von einem A400M-Transportflugzeug durchgeführt. Rund 190 Tonnen an Lebensmitteln, Wasser und medizinischen Gütern werden über dem Gazastreifen abgeworfen.
Das neue politische Jahr beginnt in Brüssel mit der Feststellung, dass die Hauptstadtregion auch über ein Jahr nach der Wahl immer noch keine neue Regierung hat. Die Hängepartie ist längst zur Farce geworden. Die Parteien neutralisieren sich gegenseitig durch immer wieder neue Vetos. Bis zum Ende des Jahres zieht sich das Trauerspiel hin. Aber auch in den Straßen der Hauptstadt bleibt alles beim Alten: Im Sommer eskaliert die Schusswaffengewalt.
Anfang Oktober erreicht das "Game of Drones" Belgien. Der Spuk beginnt am 3. Oktober über dem Militärlager Elsenborn: Drohnen, die den Stützpunkt ausspähen und die sich dabei nicht mal verstecken. Anfang November sorgen Drohnen für ein regelrechtes Chaos im belgischen Luftraum.
Am 14. Oktober organisieren CSC, FGTB und CGSLB eine neue Großkundgebung. Mindestens 80.000 Menschen ziehen durch die Straßen von Brüssel, um gegen die Politik der Regierung zu protestieren. Das ist aber nur der Vorgeschmack: In der letzten Novemberwoche feuern die Gewerkschaften eine Breitseite ab: Drei Tage Streik.
Ob nun Strategie oder Zufall: Am 24. November, am ersten Streiktag, gibt es urplötzlich Weißen Rauch in der Rue de la Loi. Die Regierung hat eine Einigung über den Mehrjahreshaushalt erzielt. Am 26. November, sechs Wochen nach dem ursprünglichen Termin, verliest Premierminister Bart De Wever vor dem Parlament die Rede zur Lage der Nation.
Genau in dieser Zeit sorgt aber auch ein wirklich unfassbarer Skandal für Aufregung: Mitte November wird im westflämischen Houthulst die 42-jährige Stefanie Sander festgenommen. Die Haus-Krankenschwester soll die Krankenversicherung um Millionenbeträge betrogen haben. 17 Luxuskarossen werden in ihrer Villa beschlagnahmt. Die Frau war schon seit Jahren im Visier der Kontrollbehörden - nur fehlte denen die Handhabe, sie hatten keine andere Wahl, als Stefanie Sander gewähren zu lassen. Der Traum vom Luxusleben auf Staatskosten ist jetzt aber wohl ausgeträumt.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte redet am 11. Dezember in Berlin Klartext. Was er sagt, klingt wie eine Albtraum-Vision. "Wir sind das nächste Ziel des Kremls. Wir müssen vorbereitet sein auf einen 'Krieg, wie ihn unsere Eltern und Großeltern erleiden mussten'." Es sind beängstigende Zeiten. In Belgien haben alle 17-Jährigen in diesem Jahr einen Brief bekommen. Darin wird ihnen angeboten, sich für einen freiwilligen Militärdienst zu melden.
Beim EU-Gipfel Mitte Dezember setzt sich Premier De Wever durch. Die in Belgien eingefrorenen russischen Vermögenswerte bleiben unangetastet, stattdessen nehmen die EU-Staaten gemeinsam einen Kredit auf, um die Ukraine zu unterstützen. "Die Ukraine hat gewonnen, Europa hat gewonnen, die finanzielle Stabilität hat gewonnen", sagt De Wever. Sich selbst habe er nicht erwähnt, hier gehe es nicht um "Gewinner oder Verlierer", sondern nur um die Sache.
Für 2026 gilt wohl mehr denn je: Wir müssen mit den neuen Zeiten leben lernen und vor allem einen kühlen Kopf bewahren.
Roger Pint








