Es ist noch nicht allzu lange her, da führte die Stadt Brüssel im innerstädtischen Bereich Tempo 30-Zonen ein. Vielerorts stehen seither am Straßenrand für Autofahrer gut sichtbar angebrachte Leuchttafeln, die die Geschwindigkeit der passierenden PKW anzeigen. Hiermit sollen die Autofahrer ermahnt werden, sich an Tempo 30 zu halten. Im innerstädtischen Bereich Brüssels nimmt auch die Zahl der fest installierten Starenkästen zu.
"Doch was nützt all das?" fragt man sich, wenn man jetzt erfährt, dass Radarfallen in Tempo 30-Zonen erst bei einer Geschwindigkeit von 57 km/h auslösen. Dort, wo Tempo 50 gilt, werden PKW erst dann geblitzt, wenn sie mit mindestens 76 km/h unterwegs sind.
Pikant: Vorgehen ausdrücklich erwünscht
Der Sprecher der Brüsseler Polizei bestätigte diese Informationen und ergänzte sie noch um ein Detail, das nicht uninteressant ist: Die zuständigen Staatsanwaltschaften haben Anweisung gegeben, nur schwerwiegende Vergehen zu verfolgen - um eine Anhäufung von Bußgeldverfahren wegen leichter Geschwindigkeitsübertretung zu vermeiden.
Die Staatsanwaltschaften hätten schließlich nur begrenzte Kapazitäten. Müsste man jede geringfügige Temposünde ahnden, wäre das entsprechende Arbeitsaufkommen nicht zu bewältigen. Überhöhte Geschwindigkeit ist nach Angaben der Polizei in der Hauptstadt eher selten Unglücksursache bei Verkehrsunfällen im innerstädtischen Bereich. Deshalb könne man den Temposündern gegenüber toleranter sein.
Ein ganz anderes Bild, so die Ordnungskräfte, ergebe sich sowieso in Zeiten von Kampagnen zur Sensibilisierung für mehr Verkehrssicherheit, etwa zu den Feiertagen am Jahresende. Dann praktiziere die Polizei eine Nulltoleranz für Temposünder.
Schouppe: Total unverständlich
Für den zuständigen Staatssekretär Etienne Schouppe ist das Vorgehen der Verkehrspolizei in Brüssel derweil schlichtweg inakzeptabel. Es könne nicht sein, so Schouppe in einem Hörfunkinterview am Dienstagmorgen, dass Verkehrsregeln oder die Straßenverkehrsordnung je nachdem, wo man sich gerade befindet, unterschiedlich interpretiert oder ausgelegt werden. Es sei umso unverständlicher, da Tempo 30-Zonen oft vor Schulen, Spielplätzen oder in Wohngebieten eingerichtet wurden und im Grunde also verkehrsberuhigte Zonen betreffen.
Wie dem auch sei, vielleicht würde ja eine bessere Koordinierung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft helfen. Vielleicht bedarf es neuer Regelungen zwischen Justiz- und Innenministerium. Hierzu aber ist eine geschäftsführende Regierung nicht in der Lage. Auch das also eine Herausforderung für die nächste, wieder voll handlungsfähige, Regierungsmannschaft.
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