Tom Evens, Professor für Medienökonomie an der Universität Gent, ist der Auffassung, dass Belgien viel zu klein sei, um das Geld wieder einzuspielen. Er schätzt den Marktwert für die oberen beiden Profiligen und den Landespokal eher auf 40 Millionen, also weniger als die Hälfte. 40 Millionen, das ist das, was Proximus und Telenet bereit wären zu zahlen.
Wenn Evens recht hat, dann hätte sich DAZN verspekuliert. DAZN ist ein britischer Anbieter und dort gibt es nach Einschätzung von Evens eine andere Tradition und viel mehr Fußballfans, die bereit sind, für Live-Spiele zu bezahlen, als das etwa auf dem europäischen Kontinent der Fall ist.
Als Beispiel nennt er Frankreich, wo DAZN schon gescheitert ist. Dort hatte DAZN auch die Übertragungsrechte für den Spitzenfußball für viel Geld gekauft, konnte das Geld aber nicht einspielen. In Frankreich hatte DAZN nur eine Million Abonnenten, zu wenig bei einer Bevölkerung von 70 Millionen Einwohnern. Das Ende vom Lied: DAZN kaufte sich wieder für viel Geld aus dem Vertrag frei und die französische Liga musste einen eigenen Streaming-Dienst aufbauen, um die Spiele zu zeigen.
Schätzungen zufolge gibt es hier bis zu 500.000 Haushalte, die bereit sind, für Fußballspiele im TV zu zahlen. Es ist logisch, dass das weniger sind als in Frankreich. Allerdings sinken die Produktionskosten nicht im gleichen Maße. Denn auch in Belgien gibt es viele Vereine und nicht zuletzt das Problem, dass der Sender alles in mindestens zwei Sprachen anbieten muss. Hohe Produktionskosten sind auch der Grund, warum sich Sportübertragungen als Streaming-Abo im Vergleich zu Film- und Serien-Streaming so schwer tun. Fiktion dreht man für die ganze Welt, Sport hingegen verkauft man vor allem innerhalb eines Landes.
Auch darüber hinaus hat DAZN Probleme. In ganz Europa wächst die Kritik. In Italien wurde das Unternehmen wegen irreführender Werbung und schlechtem Kundenservice mit einer Geldstrafe von 7,3 Millionen Euro belegt. In Deutschland reichte der Verbraucherverband eine Beschwerde gegen eine plötzliche Preiserhöhung um 50 Prozent ein. Auch in Belgien hat die Wirtschaftsinspektion letzte Woche eine Geldstrafe gegen DAZN wegen unzureichender Informationen über Abonnements verhängt.
Die Vereine sind alles andere als glücklich mit der aktuellen Situation. Denn die Einnahmen aus den TV-Rechten spielen eine große Rolle. Bis zu einem Viertel aller Einnahmen stammen aus dem TV-Geschäft. Kommt hier zu wenig in die Kasse, kann das gerade bei kleineren Clubs die finanzielle Pleite bedeuten. Und wenn belgische Vereine wie in Frankreich eine eigene Plattform aufbauen müssten, um Spiele zu streamen, dann kann man jetzt schon mit der Erfahrung aus Frankreich sagen, dass das deutlich weniger Geld in die Kasse bringt als jetzt.
Dieses Szenario ist gar nicht mal unrealistisch. Denn derzeit laufen die Verhandlungen mit DAZN, um den Preis für die Übertragungsrechte nachträglich nach unten anzupassen. Sollten diese scheitern, dann könnte sich DAZN möglicherweise wie in Frankreich Hals über Kopf ganz vom belgischen Markt verabschieden.
De Morgen/okr