Entfernt erinnern sich Menschen außerhalb des Hochschulbetriebs an das, was die Studenten am Mittwoch auf die Straßen von Namur treibt und weshalb die frühere Regierungskoalition in der Französischen Gemeinschaft zwischen PS, MR und Ecolo kurz vor Ende fast noch zerbrochen wäre.
Damals hatten PS und Ecolo mit den Stimmen der PTB die Hochschulreform der damaligen MR-Ministerin Valérie Glatigny gekippt – gegen den Willen der MR. Die neue Regierung aus MR und Les Engagés drehte die Uhren wieder zurück, so dass mit dem neuen Studienjahr jetzt wieder die Hochschulreform gilt.
Ein Hin und Her, das bei den Studenten nicht gut ankommt. So sagte es vor der Demo in Namur Adam Assaoui, Vorsitzender des Verbandes der französischsprachigen Studenten und Studentinnen, FEF, im Radio der RFTB. "Wir beobachten zurzeit, dass das Hin und Her viele Probleme und Chaos mit sich gebracht hat und Ängste bei den jungen Menschen schürt. Viele entwickeln Stress und statt sich auf ihr Studium konzentrieren zu können, werden sie durch diesen Stress blockiert."
Der Stress nährt sich vor allem aus folgenden Regeln der Hochschulreform: Studenten müssen alle Kurse des ersten Studienjahrs innerhalb von höchstens zwei Jahren bestanden haben. Den Bachelor, also einen Abschluss nach drei Studienjahren, müssen Studenten nach spätestens fünf Jahren geschafft haben. Sollte das nicht der Fall sein, riskieren die Studenten, von der Hochschule ausgeschlossen zu werden, weil die Hochschulen dann kein Geld mehr zur Finanzierung des Studienplatzes des betroffenen Studenten bekommen sollen.
Diese Regeln sähen auf den ersten Blick ziemlich realistisch aus, sagt Adam Assaoui. Er kenne auch durchaus die Kritik an den Protesten der Studenten. Gerade auf Facebook, wo tendenziell eher ältere Nutzer zu Hause seien, gebe es häufig Kommentare wie "Diese Faulenzer. Sie sollen einfach mal studieren".
Studenten fordern Klarheit
Doch das sei nur eine Sicht der Dinge. "Die Regeln sehen einfach aus. Aber es gibt so viele Ausnahmen und Einzelfälle, dass es kompliziert wird, sie zu verstehen."
Wenn es bei den Protesten seines Verbandes vor gut eineinhalb Jahren, noch grundsätzlich gegen die Hochschulreform von Glatigny gegangen ist, so hat sich der Fokus des Protestes diesmal verschoben. Denn die neue Hochschulministerin der Französischen Gemeinschaft, Elisabeth Degryse von Les Engagés, will es nicht bei der einfachen Rückkehr zur Glatigny-Reform belassen. Sie will eine eigene Reform umsetzen, deren Konturen aber noch nicht bekannt sind.
Der Protest der Studenten geht deshalb vor allem auch darum, diese Klarheit zu bekommen. "Im vergangenen Jahr konnten Studenten von der zeitlich begrenzten Aussetzung der Rückkehr zu den alten Regeln profitieren. Nächstes Jahr werden für diese Studenten eventuell mildere Regeln gelten. In der Zwischenzeit, also dieses Jahr, müssen sie sich den harten Regeln der Hochschulreform beugen, sitzen sie in der Patsche", sagt der FEF-Vorsitzende Assaoui.
Kay Wagner