Child Focus habe im vergangenen Jahr über 3.000 Dossiers bearbeiten müssen. Das meldet die Organisation anlässlich des 30. Jahrestags der Entführung von Julie und Melissa durch den Kinderschänder Marc Dutroux. Das sei eine Verdoppelung innerhalb von drei Jahren.
Diese Entwicklung setze die Organisation personell und finanziell unter Druck. Da nicht mehr Mittel zur Verfügung stünden, hätten die Mitarbeiter keine andere Wahl, als doppelt so viele Fälle pro Kopf zu bearbeiten, beklagt Child Focus-Direktorin Nel Broothaerts.
Child Focus finanziert sich hauptsächlich über Spenden. Hinzu kommt eine Dotation von der Nationallotterie, die etwa 20 Prozent der Kosten der Organisation deckt.
Angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage werde diese Situation aber immer unhaltbarer, prangert Broothaerts an, es werde immer schwieriger, private Spender zu finden, die regelmäßig Geld überweisen könnten. Es sei aber natürlich nachvollziehbar, dass Menschen Prioritäten setzen müssten, wenn die Lebenshaltungskosten immer weiter stiegen.
Child Focus plädiert deshalb bereits seit Längerem für eine strukturelle Unterstützung durch den Staat. Entsprechende Gespräche mit der Regierung liefen, bestätigt Broothaerts, man hoffe, dass dabei auch etwas Konkretes herauskommen werde.
Heute vor 30 Jahren, am 24. Juni 1995, verschwanden in Grâce-Hollogne in der Provinz Lüttich die beiden acht Jahre alten Mädchen Julie Lejeune und Melissa Russo. Rund 14 Monate später wurden die beiden Kinder tot auf dem Anwesen des Kinderschänders Marc Dutroux entdeckt.
Der Fall Dutroux brachte auch zutage, dass Polizei und Justiz auf der ganzen Linie versagt hatten. In der Folge wurden die Dienste neu geordnet: Gendarmerie und Gerichtspolizei etwa wurden zu einer integrierten Polizei zusammengelegt. Child Focus, eine Stiftung für vermisste und sexuell ausgebeutete Kinder, wurde gegründet.
Marc Dutroux wurde am 22. Juni 2004 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seine Frau und Komplizin Michelle Martin erhielt 30 Jahre Gefängnis, wurde vor 13 Jahren aber wegen guter Führung unter Auflagen vorzeitig freigelassen.
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