Dass der Nahe Osten ein Pulverfass ist, ist alles andere als eine neue Erkenntnis. Seit Jahrzehnten geht gefühlt ein Konflikt in den nächsten über. Wenn sich Supermächte wie die Vereinigten Staaten direkt militärisch einmischen, wird der Tanz potenziell natürlich noch deutlich heißer.
Dementsprechend hielt die Welt am Wochenende auch erstmal den Atem an, als US-Präsident Donald Trump den Iran bombardieren ließ, und wartete mit Spannung und Sorge auf die Reaktionen der Börsen und Rohstoffmärkte. Aber zumindest bisher haben sich die Börsen von Trumps Aktion nicht wirklich zusätzlich aus der Ruhe bringen lassen.
Das Gleiche gilt im Großen und Ganzen auch für den Ölmarkt und damit für die Kraftstoffpreise. Anfangs hätten die Öl- und Kraftstoffpreise durchaus nervös reagiert, sagte Johan Mattart, der Direktor des Kraftstoffhändlerverbands Brafco, der VRT. Die Preise seien zunächst um etwa drei Prozent gestiegen. Aber diese Preissteigerungen seien, Stand jetzt, nicht von Dauer gewesen. Die Preise auf dem internationalen Markt seien wieder auf dem Niveau von letztem Freitag. Die Reaktion der Märkte sei bisher also sehr begrenzt geblieben.
Was für die Märkte gilt, gilt für die Zapfsäulen umso mehr. Denn in Belgien gelten für Kraftstoff sogenannte Maximalpreise, die anhand einer komplizierten Formel vom Wirtschaftsministerium festgelegt werden. Wie das genau funktioniert, ist nebensächlich - wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass Preissteigerungen durch diese Regelung immer erst mit Verzögerung von mehreren Tagen beim Endkunden ankommen, wie der Brafco-Direktor ausführt. Wenn also heute die Preise auf dem Weltmarkt plötzlich steigen würden, würde sich das an der Zapfsäule erst Donnerstag oder Freitag bemerkbar machen.
Aber das beantwortet natürlich nicht die Frage, warum der Iran-Konflikt den Weltmarkt aktuell eher kalt zu lassen scheint. Tatsächlich ist es auch so, dass man hier einfach nuancieren muss. Es sind nämlich nur die jüngsten Entwicklungen, die zumindest bisher keine größeren Auswirkungen auf die Preisentwicklung zu haben scheinen, sprich: das direkte Eingreifen der USA. Seit Beginn der israelischen Angriffe auf den Iran vor zehn Tagen sind die Preise nämlich schon gestiegen, auch für die belgischen Endkunden, wie Mattart erklärt: nämlich um 7,1 Cent für Diesel. Die Preise für Benzin, LPG (Flüssiggas) und Heizöl seien ebenfalls bereits vor den amerikanischen Angriffen hochgegangen. Die Spannungen in Nahost seien also schon in die Preise eingeflossen.
Das bedeutet aber natürlich nicht, dass die Preise nicht noch weiter steigen könnten, wenn der Konflikt weiter eskalieren sollte. So hat der Iran beispielsweise damit gedroht, die Straße von Hormus für Schiffe und damit auch für Erdöltanker zu schließen - also den Persischen Golf de facto vom Arabischen Meer und vom Indischen Ozean abzuschneiden. Rund 20 Prozent des Rohöls würden durch die Straße von Hormus transportiert. Eine Blockade der Straße könne also sehr große Auswirkungen haben. Sie könne zu starken Preissteigerungen führen und vielleicht sogar eine Rezession zur Folge haben. Allerdings sei das ja noch nicht passiert, also sei die Devise erstmal Abwarten.
Die Frage ist auch, ob der Iran seine Drohung wahrmachen wird. Denn es ist längst nicht das erste Mal, dass das Regime in Teheran mit so einem Schritt gedroht hat - tatsächlich zur Tat geschritten ist es aber nie. Denn damit würde sich der Iran auch tief ins eigene Fleisch schneiden, denn das Land ist stark auf die Einkünfte aus dem Verkauf seines eigenen Öls angewiesen, jetzt im Krieg noch mehr als sonst. Ein Angriff auf zum Beispiel westliche Schiffe könnte leicht Vergeltungsangriffe nach sich ziehen. Ob die Führung in Teheran das in Kauf nehmen will, solange sie schon mit Israel die Hände voll hat, ist zumindest fraglich.
Boris Schmidt