Es war schon schlecht, doch jetzt wird es schlimm - so könnte man die Botschaft von Pierre Wunsch auf den Punkt bringen, dem Gouverneur der Nationalbank. "Das Haushaltsdefizit hat sich noch vergrößert", warnt er. Es ist nicht das erste Mal, dass die Nationalbank die Alarmglocke zieht. Doch sie tut das immer regelmäßiger und immer nachdrücklicher. Denn inzwischen scheint das Budget regelrecht zu entgleisen. Nur zwei Zahlen: "Beendet haben wir das vergangene Jahr mit einem Defizit von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, daraus werden jetzt 5,6 Prozent. Und das ist absolut untragbar", sagt Pierre Wunsch.
"Wo sind denn da die viel beschworenen Sanierungsmaßnahmen der Regierung?", mag man sich fragen. Nun, das ist das Irritierende: Diese Maßnahmen sind da schon mit eingerechnet. Gespart hat die Regierung im Wesentlichen bei den Sozialausgaben. Das entspricht in etwa dem Gegenwert von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das wird aber mehr als ausgeglichen, zum einen durch die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes, und zum anderen dann eben auch durch die Sozialausgaben, die durch die Pensionszahlungen weiter ansteigen.
Hier liegt das eigentliche Problem: Die Sozialausgaben steigen, und das bei "unveränderter Politik", wie es die Ökonomen ausdrücken. Würde man alles einfach so laufenlassen, dann würde das Haushaltsloch quasi automatisch immer größer. Hier sieht man sozusagen "live" den Renten-GAU, vor dem Experten jahrzehntelang gewarnt hatten: Buchstäblich mit jedem Tag wird die Zahl der Rentner im Vergleich zu den Beitragszahlern größer, muss der Staat also mehr zuschießen. Damit verbunden ist auch ein Anstieg der Gesundheitskosten. Die ernüchternde Feststellung: Die Sparmaßnahmen der Regierung würden allenfalls diese "Vergreisungskosten" auffangen, also die Lage stabilisieren. Das Haushaltsloch würde damit nicht größer, aber leider auch nicht kleiner.
Was die Rechnung der Regierung dann definitiv kaputtgemacht hat, war die Erhöhung der Rüstungsausgaben auf zwei Prozent, um die Nato-Quote zu erfüllen. Das war so nicht vorgesehen, doch war Belgien da bekanntlich unter Zugzwang geraten.
Das ist aber nicht die einzige Erklärung für die schwierige Lage. Ein weiterer Grund sind die Luftbuchungen der Regierung, also die Mehreinnahmen, die man sich aufgrund der Maßnahmen versprochen hat, die aber zum Teil als "zu optimistisch" eingeschätzt werden. "Diese Kritik haben wir schon mehrmals geäußert. Und daran hat sich nichts geändert", sagt der Gouverneur der Nationalbank. "Und wir stehen mit dieser Einschätzung auch längst nicht mehr alleine da." Also: Ein Haushaltsloch, das trotz der von der Regierung beschlossenen Maßnahmen nur noch größer wird. Eine "untragbare Situation", sagt die Nationalbank…
Seit Donnerstag braut sich aber erst recht ein "perfekter Sturm" zusammen. In Brüssel haben die Nato-Verteidigungsminister ja ein massives Aufrüstungsprogramm beschlossen. Das kostet auch wieder Geld: Nato-Generalsekretär Mark Rutte will jetzt den Staaten vorschlagen, die Nato-Quote von bisher zwei auf künftig fünf Prozent anzuheben. Knapp zwei Drittel davon, nämlich 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, müssten die Staaten dabei für reine Rüstungsgüter ausgeben. Das wäre also nochmal quasi eine Verdopplung.
"Offen ist dabei aber bislang noch der genaue Fahrplan", beschwichtigte gleich Verteidigungsminister Theo Francken in der VRT. Wie lange haben wir Zeit, um dieses Ausgabenziel zu erreichen? Das müssen die Staats- und Regierungschefs noch beim großen Nato-Gipfel Ende des Monats in Den Haag festklopfen. Der Nato-Beschluss sorgt jedenfalls schon jetzt für merkliche Unruhe innerhalb der Koalition, vor allem beim linken Flügel: CD&V und Vooruit haben schon ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht.
So oder so gibt es kein Vertun: Wenn ein Budget entgleist, wenn eine Situation untragbar wird, nun, dann muss man nachbessern, sagt Pierre Wunsch. Und das wird irgendwann wohl auch für die Regionen und Gemeinschaften gelten.
Roger Pint