Ende der Woche will der Parteivorsitzende der flämische Christdemokraten, Wouter Beke, einen Zwischenbericht seiner Verhandlungsarbeit vorlegen. Beke war vom Staatsoberhaupt ja damit beauftragt worden, zu prüfen, ob man über den Verhandlungsweg eine Einigung auf die Grundzüge einer weiteren und damit sechsten Verfassungs- beziehungsweise Staatsreform erreichen kann.
Um dies auszuloten hatte Beke zuletzt im Beichtstuhlverfahren, also in Einzelgesprächen mit den Parteichefs Di Rupo und De Wever, den Wahlgewinnern der N-VA und PS also, versucht, deren zum Teil diametral gegenüber stehenden Positionen einander anzunähern.
Und während heute Studenten in gut einem halben Dutzend Universitätsstädten für die rasche Einsetzung einer neuen Regierung demonstrieren wollen, gehen die Bemühungen, eine Staatsreform abzustecken, weiter. Die ist nämlich für die Flamen Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen. Erst wenn man sich über weitere Zuständigkeits- und Befugnisübertragungen von der föderalen auf die gliedstaatliche Ebene einig ist, will man in Flandern ja an die Regierungsbildung gehen. Die dürfte also noch auf sich warten lassen.
Kurz nach Ostern, so ließ die N-VA verlauten, wolle man endlich Konkretes sehen. Sonst wäre es besser, aus den Verhandlungen auszusteigen. Kurz nach Ostern wird es ein Jahr her sein, dass die flämischen Liberalen von der OpenVLD die Regierung von Yves Leterme stürzten und den Premier samt seinem Kabinett zum Rücktritt zwangen. Doch auch wenn die Regierung auf Bundesebene seither nur noch die Amtsgeschäfte führt, wird Belgien regiert. Die Gemeinschafts- und Regionalregierungen arbeiten nämlich unbeirrt weiter.
Und entgegen allem, was man zum Beginn der Regierungskrise hörte, haben der scheidende Premier und seine Ministerriege auch nach ihrem Fall so einiges in Sachen Regieren getan: der belgische EU-Ratsvorsitz, zum Beispiel. Er ging still und bescheiden, aber dennoch problemlos - und für einige sogar äußerst zufriedenstellend - über die Bühne.
Mussten zum Beginn des Jahres der scheidende Premier und sein Kabinett noch mit Haushaltszwölfteln arbeiten, wurde kürzlich nach entsprechendem Auftrag durch das Staatsoberhaupt, sogar ein Sparhaushalt für das laufende Jahr erstellt. Doch das ist noch nicht alles: Leterme und sein Team einigten sich auf leichte Rentenerhöhungen und trafen beschäftigungspolitische Entscheidungen, die dem Arbeitsmarkt gut tun sollen.
Jüngstes Beispiel des Regierens und Agierens war die Entscheidung der Regierung, sich am Militäreinsatz in Libyen zu beteiligen.
Selbst ein Kampfeinsatz der belgischen Streitkräfte, den sich die scheidende Regierung dann aber doch im föderalen Parlament mehrheitlich gutheißen ließ, ist für die Regierung Leterme, die ja ein Auslaufmodell ist, möglich geworden.
Fazit: Was im täglichen Leben gilt, gilt anscheinend auch für eine scheidende Regierung: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Dennoch bleiben andere Dinge- etwa Personalentscheidungen- derweil liegen und müssen aufgeschoben werden, weil eine Einigung - oder der Wille zu einer Einigung - fehlt. Das allerdings spielt all jenen in die Hände, deren Credo seit langem ist, dass die Einigung auf einen Kompromiss in diesem Land nicht mehr möglich ist und deshalb drastische Veränderungen nötig sind.
Wir dürfen gespannt sein, was zum Inhalt des Zwischenberichts, den Wouter Beke am Freitag dem Staatsoberhaupt vorlegen will, bekannt wird.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)