Wir wissen zwar noch nicht, wer das nächste Oberhaupt der katholischen Kirche werden wird, aber wir wissen, wer diese Entscheidung fällen wird. Nämlich die 135 Kardinäle, die jünger als 80 Jahre und damit wahlberechtigt sind im sogenannten Konklave.
Für viele dieser Kardinäle wird es das erste Mal sein, dass sie einen Papst wählen sollen. Denn Papst Franziskus hat in den vergangenen zwölf Jahren rund hundert neue Kardinäle ernannt. Und dabei war er sehr international. Das ist zulasten vor allem des Alten Kontinents gegangen. Nur noch 53 der 135 wahlberechtigten Kardinäle kommen aus Europa. Und das wird unweigerlich auch Folgen haben für die Papstwahl, denn der Einfluss der anderen Bereiche der Welt wird größer denn je sein.
In Westeuropa hofften viele auf einen progressiven Papst, erklärt Caroline Sägesser vom Forschungs- und Informationszentrum Crisp gegenüber der RTBF. Also einen Papst, der in puncto Doktrin nicht nur fortschrittlich, sondern auch flexibler als manche seiner Vorgänger ist. Da gehe es zum Beispiel um Fragen wie die Rolle der Frau in der Kirche. Aber auch um zumindest religiös sehr heiße Eisen wie Abtreibung, Euthanasie oder die Rechte von Homosexuellen.
So deutliche Worte findet Tommy Scholtes, der Sprecher der belgischen Bischofskonferenz nicht. Aber auch er macht deutlich, dass die belgische katholische Kirche sich zum progressiven Flügel der Kirche zählt. Natürlich sei auch unter dem als recht fortschrittlich geltenden Papst Franziskus nicht alles perfekt gewesen, räumt Scholtes ein. Aber zumindest in den groben Linien habe sich die belgische Bischofskonferenz sehr gut finden können in den Anliegen und Prioritäten des verstorbenen Papstes. Die Katholiken in Belgien wünschten sich eine Fortsetzung der bisherigen Linie, also dass auch der Nachfolger von Franziskus weiter auf eine Öffnung der Kirche setze.
Eine Marschrichtung, die auch der Bischof von Tournai, Guy Harpigny, befürwortet. Er wünsche sich einen Papst, der sich auch um die Menschen kümmere, die sonst in der Gesellschaft oft auf der Strecke blieben oder an den Rand gedrängt würden. Also zum Beispiel arme Menschen und Migranten. Aber auch Menschen, die eigentlich gerne der Kirche angehören würden, sich aber aufgrund ihrer Lebensweise ausgeschlossen fühlten. Kurz gesagt: eine Art Franziskus II., jemanden, der die begonnenen Reformen weiter umsetzt oder sogar weiter vorantreibt.
Die Chancen dafür stehen allerdings nicht so gut, wenn man den meisten Beobachtern glauben will. Denn weltweit sind konservative, um nicht zu sagen reaktionäre Kräfte seit Jahren auf dem Vormarsch. Und was in Politik und Gesellschaft passiert, wirkt sich natürlich auch auf die Glaubensgemeinschaften und ihre Institutionen aus.
Crisp-Forscherin Sägesser warnt deswegen auch vor zu großen Hoffnungen auf einen neuen großen Reformer. Menschen, die auf so etwas hofften, würden fast zwangsläufig enttäuscht werden. Denn der Spielraum des künftigen Papstes für Veränderungen werde sehr begrenzt sein.
Umso mehr, weil der neue Papst auch Rücksicht nehmen müsse auf die Befindlichkeiten der Katholiken weltweit. Nicht nur auf die der Katholiken in Westeuropa. Global betrachtet gebe es nämlich eine große Diversität unter den Katholiken - mit entsprechend diversen Prioritäten und Interessen.
Boris Schmidt