Ende September hatte Papst Franziskus Belgien besucht. Obwohl der eigentliche Anlass das 600-jährige Bestehen der Universität Löwen war, ist das nicht der Grund, warum der päpstliche Besuch vielen noch immer im Gedächtnis ist. Vielmehr waren es Aussagen des Papstes, die hohe Wellen geschlagen haben.
Unter anderem hatte Franziskus eine sehr deutliche Meinung über die Rolle von Frauen in der Kirche. Dann bezeichnete er auch noch Abtreibung als "Mord" und Ärzte, die Abtreibungen durchführen, als "Auftragsmörder". Abgerundet wurde das durch sein öffentliches Lob für die Haltung von König Baudouin in der Abtreibungsfrage. All das, obwohl Abtreibung in Belgien bekanntermaßen legal ist.
Explizit distanzieren will sich Erzbischof Luc Terlinden von diesen Aussagen bis heute nicht. Papst Franziskus habe einen tiefen Respekt vor jeder Form von menschlichem Leben und diese Einstellung teilten auch die belgischen Bischöfe, so Terlinden im Interview mit der RTBF. Seiner Meinung nach müsse sich der Papst immer in den Dienst jeden menschlichen Lebens stellen. Da sei Franziskus auch sehr kohärent gewesen. Es sei ihm nicht nur um die Abtreibung gegangen. Franziskus habe sich auch für Frieden und gegen Kriege und für Migranten eingesetzt.
Fortschritt bei Bekämpfung sexuellen Missbrauchs
Es sei nun einmal auch einfach das Temperament des Papstes gewesen, seine Positionen manchmal etwas radikal auszudrücken, um die Menschen aufzurütteln. Terlinden nimmt Franziskus auch in Schutz gegen Vorwürfe, nicht genug gegen sexuellen Missbrauch in der Kirche getan zu haben. Franziskus habe maßgeblich dazu beigetragen, dass es Fortschritt gebe bei der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs, Stichwort Nulltoleranzpolitik. Es stimme zwar, dass da noch Luft nach oben sei, aber zumindest sei der richtige Weg eingeschlagen.
Auch bei der Homosexualität habe es dank Franziskus Bewegung gegeben. Franziskus habe zeigen wollen, dass niemand aus der Kirche ausgeschlossen werde. Auch wenn das manchen noch nicht weit genug gehe: Er habe da für eine echte Öffnung gesorgt.
Terlinden sieht auf den Nachfolger von Papst Franziskus große Herausforderungen zukommen. Denn der nächste Papst müsse die Entscheidungen der letztes Jahr zu Ende gegangenen Bischofssynode umsetzen. Da gehe es um durchaus schwierige Dossiers wie eine größere Teilhabe für alle Gläubigen oder auch die Rolle der Frau.
Sehr offene Papstwahl
Aber die Frage, die die Welt erst einmal beschäftigen wird, ist, wer sich diesen Herausforderungen wird stellen müssen, sprich wer nächster Papst wird. Da will der Erzbischof von Mechelen-Brüssel lieber nicht spekulieren. Das Rennen sei sehr offen, so Terlinden, auch weil Papst Franziskus das Kardinalskollegium für die ganze Welt geöffnet habe. Das habe den Einfluss der italienischen beziehungsweise der europäischen Kardinäle insgesamt auf die Wahl stark verringert.
Terlinden selbst ist kein Kardinal, wird also nicht mit abstimmen über den nächsten Papst. Zwei andere Belgier allerdings schon: Terlindens Vorgänger, der emeritierte Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Jozef De Kesel, und der Erzbischof von Teheran-Isfahan, Dominique Mathieu. Aber weder De Kesel noch Mathieu würden bei der Papstwahl im Namen der belgischen katholischen Kirche handeln, stellt Terlinden klar. Beide seien nur ihrem Gewissen verpflichtet, um im Interesse der Weltkirche zu handeln.
Boris Schmidt