Entscheidungen jedoch immer dringender werden, wird anhand der drastisch gestiegenen Zahl gestellter Asylanträge deutlich.
Die belgische Asyl- und Einwanderungspolitik ist seit langem ein heißes Eisen. Wirklich angepackt wird es seit geraumer Zeit schon nicht mehr.
Daran ist nicht nur der Umstand schuld, dass die scheidende Regierung in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt ist - auch als das Kabinett des scheidenden Premiers noch voll handlungsfähig war, sorgte die Asylpolitik für Misstöne in der inzwischen zerbrochenen Koalition.
Schon letztes Jahr wurde deutlich, dass man sich diesem Politikbereich unbedingt widmen muss - auf nationaler und auf europäischer Ebene. Die Zahl der Asylbewerber nahm 2010 - mit insgesamt fast 20.000 gestellten Anträgen - im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu.
Eine der Konsequenzen dieses Trends waren schon letztes Jahr übervolle Auffangzentren, die die zuständige Behörde Fedasil dazu bewegten, Asylbewerber während der Bearbeitungszeit ihres Antrags zeitweise sogar in Hotels unterzubringen. Landesweit wurde versucht, die Unterbringungskapazitäten auszubauen. Zuletzt wurden geräumte Kasernen der Streitkräfte kurzfristig so hergerichtet, dass Asylbewerber dort untergebracht werden konnten.
Asylbewerber-Anträge: Zahlen steigen weiter
Doch der Strom von Personen, die einen Asylantrag stellen, reißt nicht ab. Im Januar und Februar 2011 stieg die Zahl der Asylbewerber in Belgien im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum um 30 Prozent. Die insgesamt 23.000 Unterbringungsplätze sind jüngsten Informationen zufolge zu 96 Prozent ausgelastet. Derzeit warten nach Medienberichten noch gut 11.000 Personen auf die Bearbeitung ihres Asylantrags. Asylverfahren dauern hierzulande aufgrund der angewandten Prüfungsverfahren anscheinend immer noch 16 Monate.
Da Belgien jedem, der einen Asylantrag gestellt hat, und der nicht von vornherein abgelehnt werden muss, während der Bearbeitungszeit eine Unterkunft stellen muss, sind inzwischen auch die neuen Plätze in Kasernen fast alle belegt. Jetzt droht eine neue Welle von Asylanträgen. Die Situation könnte sich also rasch verschärfen - dann nämlich, wenn auch Belgien mit Asylanträgen von Flüchtlingen aus Nordafrika konfrontiert wird, die dort wegen der Revolutionsbewegungen flüchteten.
Courard: Bald 2000 Menschen auf der Straße
Der für Integrationsfragen zuständige Staatssekretär Philippe Courard läutet deshalb die Alarmglocke. Geschehe nicht schnell etwas, so Courard in einem Zeitungsinterview, dann sei damit zu rechnen, dass in wenigen Wochen gut 2000 Asylbewerber hierzulande auf der Straße landen.
Doch genau wie Courard sind auch dem für Asyl- und Einwanderungsfragen zuständigen Staatssekretär Melchior Wathelet nach dem Sturz de Regierung die Hände gebunden. Überdies ist auch die weiterhin gültige Aufteilung der Zuständigkeiten in diesem Bereich auf zwei Ressortchefs der Sache nicht wirklich dienlich. Doch so ernst die Lage derzeit auch ist, eine Entschärfung scheint nicht in Sicht.
soir/alh - Archivbild belga