Generalstreik - die beiden großen Gewerkschaften haben also jetzt zum ersten Mal die Bazooka rausgeholt. Seit Wochen protestieren CSC und FGTB gegen die Spar- und Reformpläne der Arizona-Regierung, die sie als "Kriegserklärung" empfinden. Es sind vor allem die Rentenpläne der Arizona-Koalition, die die Arbeitnehmerorganisationen auf die Palme bringen. "Länger arbeiten für weniger Pension? Nicht mit uns!", so könnte man die Botschaft auf den Punkt bringen.
Zwar sind noch längst nicht alle Einzelheiten auch definitiv festgeklopft und verabschiedet, doch seien viele schlichtweg besorgt und wütend. Und genau das wollen sie eben zum Ausdruck bringen, indem sie am Montag nicht zur Arbeit gehen, sagte in der VRT Bert Engelaar, Generalsekretär der sozialistischen FGTB. Denn die Menschen beginnen zu verstehen, dass die Rentenpläne der Regierung nicht nur den Öffentlichen Dienst betreffen, fügt Engelaar sinngemäß hinzu.
Die angestrebte Pensionsreform ist aber nur ein Zankapfel, einer unter vielen. Protestieren wollten die Gewerkschaften auch gegen die Arizona-Pläne mit Blick auf eine Steigerung der Flexibilität der Arbeitnehmer. Laut dem Koalitionsabkommen soll eine Reihe von Regelungen aufgeweicht werden, die den Arbeitgebern bislang Grenzen setzten.
Beispiel Öffnungs- und Schließzeiten: "Im Einzelhandel könnten die Menschen dazu verpflichtet werden, jeden Sonntag zu arbeiten, oder abends bis 22:00 Uhr oder sogar länger. Und das würde es für die Betroffenen noch schwerer machen, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen", beklagte Myriam Djegham von der christlichen Angestelltengewerkschaft CNE in der RTBF.
Insbesondere die Vertreter der Arbeitnehmer im Einzelhandel haben stellenweise "nachdrücklichere" Methoden angewandt, um ihre Botschaft an den Mann und an die Frau zu bringen. In einer Brüsseler Einkaufsgalerie belagerten Gewerkschafter die Geschäfte so lange, bis sie doch die Rollläden herunterließen. Wobei - wohlgemerkt - niemand wirklich gezwungen wurde …
Rücksichtsloser Vorfall in Thimister
Auch ansonsten blieben die Proteste weitgehend friedlich. Was allerdings nicht immer für diejenigen galt, die unter den Beeinträchtigungen zu leiden hatten. In Thimister etwa kam es zu einem ebenso traurigen wie rücksichtslosen Vorfall. Ein großer Pickup durchbrach bei der Industrie- und Gewerbezone "Les Plénesses" eine sogenannte Filterblockade und verletzte dabei zwei Personen.
"Wir wollten die Fahrer einfach nur über unsere Beweggründe informieren. Der Mann am Steuer des Pickups wollte davon aber nichts wissen und gab Vollgas", sagte ein geschockter Gewerkschafter in der RTBF. "Eine Person wurde mitgeschleift, doch der Mann fuhr einfach weiter. Einfach nur kriminell!"
"Das Kennzeichen des Rowdys haben wir der Polizei durchgegeben, die den Mann später stellen konnte", fügt der Gewerkschafter hinzu. Ihn interessiere aber nur, wie es seinen beiden Kollegen geht. Die beiden Verletzten mussten ins Krankenhaus gebracht werden.
Zweifelhafte Aktion in Kortrijk
In Kortrijk waren es Gewerkschafter, die mit einer zweifelhaften Aktion auf sich aufmerksam machten. Sie hatten eine Schießbude aufgebaut, in der man auf die Fotos von Regierungsmitgliedern ballern konnte, die zu allem Überfluss mit Nazi-Symbolen versehen waren. Die örtlichen Behörden haben die Aktion unterbunden.
Gerade diese Aktion mag doch stellvertretend stehen für das Malaise, das derzeit unter den Gewerkschaftern herrscht. Und das werde dadurch verstärkt, dass die Menschen den Eindruck haben, dass man ihnen nicht zuhört, dass man ihre Sorgen nicht zur Kenntnis nimmt. "Wir versuchen mit aller Macht, einen Sozialen Dialog in Gang zu bringen, aber die Regierung geht nur sehr zögerlich darauf ein", beklagt Bert Engelaar von der FGTB.
Zumindest diese Botschaft scheint angekommen zu sein. Finanz- und Pensionsminister Jan Jambon ist am Montagnachmittag mit Vertretern der Sozialpartner zusammengekommen. An den eigentlichen Reformen werde man festhalten, betonte Jambon. Dies schlicht und einfach, weil sie nötig sind. Die Ziele seien klar, aber über die Modalitäten und die konkrete Umsetzung könne durchaus noch diskutiert werden, wird Jambon zitiert.
Die Gewerkschaften wollen ihre Proteste in jedem Fall fortsetzen. In genau einem Monat, am 29. April, soll erneut ein Generalstreik stattfinden.
Streik auch in Ostbelgien spürbar – Eindrücke und Reaktionen aus Eupen
Roger Pint