Ein Blick auf die digitalen Fähigkeiten der Belgier macht deutlich, wie viel Luft nach oben noch ist. Laut der Wirtschaftszeitung De Tijd verfügen weniger als 60 Prozent der Belgier über digitale Grundkenntnisse. Bei KI sieht es noch schlimmer aus: Laut einer Microsoft-Studie, die am Mittwoch in L'Echo zitiert wird, schätzen nur zwei Prozent der befragten Belgier ihre KI-Kenntnisse als hoch ein. 83 Prozent der Befragten glauben hingegen, nur mittlere bis niedrige Kenntnisse zu haben.
Viele Menschen haben auch schlicht und ergreifend das Gefühl, einfach nicht mithalten zu können bei der rasend schnellen Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Aber Rettung naht - zumindest, wenn man Microsoft glauben will. Der US-Konzern will helfen, die KI-Fertigkeiten der Belgier auf Vordermann zu bringen. Das betont auch Marijke Schroos, Chefin von Microsoft Belgien und Luxemburg, in der VRT.
Künstliche Intelligenz sei ein mächtiges Werkzeug, unterstreicht Schroos. Und Microsoft wolle mit seinen Kenntnissen und Kapazitäten sein Steinchen beitragen zur KI-Ausbildung der Belgier. Es gehe darum, den Menschen zunächst mal KI-Grundkenntnisse beizubringen: Was ist KI eigentlich? Wie holt man das Beste heraus aus den KI-Werkzeugen? Wie kann man verantwortlich und kritisch damit umgehen?
Das ausgegebene Ziel: 600.000 Belgiern diese Grundkenntnisse beibringen bis 2028. Und das soll nur der Anfang sein. Denn eigentlich würde Microsoft am liebsten alle Belgier mit seinen KI-Kursen erreichen. Aber eben eins nach dem anderen, auch 600.000 ist schon ein ehrgeiziges Ziel.
Schaffen will Microsoft das durch einen "Mehrfrontenangriff".
Neben einer hauseigenen Online-Lernplattform sind nämlich auch klassische Kurse vor Ort geplant, meist in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern und mit spezifischem Zielpublikum. Ein Schwerpunkt sollen dabei etwa Arbeitssuchende sein. Durch den Erwerb der KI-Qualifikationen soll ihnen unter die Arme gegriffen werden, weil auch immer mehr Firmen KI-gestützte Anwendungen nutzen. Aber Studenten, KMUs und benachteiligte Bevölkerungsgruppen stehen ebenfalls auf Microsofts Adressatenliste.
Es wäre natürlich naiv zu glauben, dass der US-Tech-Konzern das aus uneigennützigen Gründen tun will, auch wenn er noch so gerne Begriffe wie "gesellschaftliche Verantwortung", "Menschen voranbringen" und Ähnliches benutzt. Fakt ist beispielsweise, wie De Tijd und L'Echo hervorheben, dass Microsoft in den vergangenen Jahren Milliarden in Datenzentren in Belgien investiert hat. Und eine Auslastung dieser Kapazitäten wird nur durch eine intensive Nutzung von KI-Tools erreicht werden können. Microsoft hat also ein ureigenstes Interesse daran, für neue potenzielle Kunden zu sorgen.
Das gilt im Übrigen allgemein: Tech-Konzerne und Investoren auf der ganzen Welt haben so viel in KI investiert, dass ein Scheitern der Technologie existentielle Folgen für sie haben könnte. Den Einsatz von KI zu fördern und zu bewerben, wo es nur geht, ist also fast schon überlebensnotwendig für sie.
Punkt zwei: Microsoft betont zwar, dass die Vermittlung der Basiskenntnisse plattformunabhängig geschehen soll. Aber gleichzeitig setzt der Konzern bei den Schulungen eigene KI-Produkte ein. Denn die habe man und damit kenne man sich am besten aus, so die Begründung. Aber Microsoft wird wohl auch darauf setzen, dass Menschen eher Produkte nutzen werden, mit denen sie schon ihre ersten Schritte in der KI-Welt getan haben.
Und dann ist da auch noch die Frage, wie glaubhaft es ist, wenn ausgerechnet ein Tech-Konzern verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit KI lehren will. Stichwort zum Beispiel: enormer Energie- und Wasserverbrauch. Und das ist vielleicht auch ein guter Zeitpunkt, um auf eine vor Kurzem erschienene Studie hinzuweisen, die ausgerechnet von Microsoft selbst stammt. Ihr Ergebnis grob zusammengefasst: Sich auf KI zu verlassen, schadet der Fähigkeit, kritisch zu denken.
Boris Schmidt