Um die Worte des Geschäftsführers des flämischen Unternehmerverbands Unizo, Danny Van Assche, zu gebrauchen: Belgien ist ein KMU-Land. Über 1,3 Millionen aktive Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) hat das Land 2023 gezählt. Den Löwenanteil mit knapp 40 Prozent nimmt dabei der Dienstleistungssektor ein, gefolgt vom Bausektor mit etwa 15 Prozent und dem Handel mit rund zehn Prozent.
Aber KMU gibt es auch in so gut wie allen anderen Bereichen, von produzierenden Betrieben bis hin zu Freiberuflern.
Die Zahl der KMU nimmt auch kontinuierlich zu. Was zunächst positiv klingt, verbirgt aber eine schlechte Nachricht: Die Zunahme verläuft so langsam wie seit 2015 nicht mehr, wie aus dem neuen KMU-Bericht hervorgeht. Der Bericht wird jährlich von der Mittelstandsvereinigung UCM und dem flämischen Unternehmerverband Unizo in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsinformationsdienst Graydon herausgegeben.
Das letzte Jahr sei außerdem ein Rekordjahr gewesen, was Firmenpleiten angehe, ergänzt Unizo-Geschäftsführer Danny Van Assche im Interview mit der VRT. Und das habe zu einem nicht unerheblichen Teil damit zu tun, dass immer weniger KMU ausreichend gegen finanzielle Schocks gewappnet seien.
Aber was bedeutet das? Jedes Unternehmen brauche Geld, um den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten, führt Van Assche aus. Aber das allein reiche nicht, Betriebe bräuchten auch finanzielle Puffer, um bei unvorhergesehenen Mehrbelastungen oder externen Problemen überleben zu können – eben die erwähnten "Schocks".
An solchen Schocks hat es in den letzten paar Jahren wahrlich nicht gemangelt, zählt Van Assche auf: Die Löhne seien binnen vier Jahren um rund 20 Prozent gestiegen, dann die Explosion der Energiepreise durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und schließlich auch noch die immer weiter gestiegenen Zinsen, die Geld leihen immer teurer gemacht hätten.
All das zusammengenommen habe dazu geführt, dass die KMU erhebliche Teile ihrer Puffer aufgebraucht hätten. Mit Folgen, die auf der Hand liegen: Wenn nun noch zusätzliche finanzielle Schocks dazu kämen – und damit müsse man bei der heutigen Lage der Welt ja rechnen – dann könne über ein Fünftel der KMU das aktuell nicht mehr überstehen.
Der Mangel an finanziellen Puffern wird aber nicht nur bei Schocks zum Problem, sondern auch bei anstehenden Investitionen. Da seien zum Beispiel die Digitalisierung und die Energie- und Umweltwende, so der Unizo-Geschäftsführer, die Unternehmen große Anstrengungen abverlangten. Auch dafür habe jedes fünfte KMU also eigentlich nicht die notwendigen Mittel. Und da habe man noch gar nicht über andere notwendige Investitionen gesprochen, Stichwort Innovation, Erneuerung, Ausweitung von Produktionsmöglichkeiten und so weiter.
Deswegen verlange man sowohl von den regionalen Regierungen als auch irgendwann dann von der künftigen Föderalregierung eine echte KMU-Politik – das sei wirklich nötig. Und das bedeute strukturelle Maßnahmen wie etwa einen Bürokratieabbau, um die Produktivität der KMU zu steigern. Aber das allein werde zum jetzigen Zeitpunkt nicht reichen, um die Überlebenschancen der Betriebe zu erhöhen, da werde man schon weiter gehen müssen.
Was die Föderalregierung betreffe, müsse man die Entwicklung der Löhne ins Visier nehmen, so die Forderung des Unizo-Geschäftsführers. Zum Beispiel, indem die Energiekosten aus der Indexanpassung der Löhne genommen würden. Denn aktuell bezahlten die Firmen doppelt: einmal für die teurere Energie selbst und dann noch mal für die höheren Löhne, die eine Folge der gestiegenen Energiekosten seien.
Und auch beim Punkt Investitionen könne mehr getan werden, beispielsweise durch steuerliche Begünstigungen oder die Möglichkeit, an günstige Kredite zu kommen bei grünen Investitionen.
Boris Schmidt