Die Ergebnisse der Studie fußen auf den Antworten von 1.000 Erstwählern. Die Professoren des politikwissenschaftlichen Zentrums der Uni Brüssel hatten sie nach den Wahlen befragt, ob sie wählen gegangen sind und wen sie gewählt haben. Daneben gab es weitere Fragen rund um das Thema Interesse an Politik.
Ergebnis: Die Erstwähler sind tatsächlich wählen gegangen. So sagte es Benoît Pilet, einer der beiden Professoren der Studie, am Mittwochvormittag bei der RTBF. Die Wahlbeteiligung sei bei den Erstwählern genau so hoch gewesen, wie bei anderen Altersklassen. "Womit Belgien eine Ausnahme bildet", sagte Pilet wörtlich. "Die Wahlpflicht hat also gewirkt, und das auch bei den ganz jungen Wählern, bei denen man ja diskutiert hatte, ob die Wahlpflicht für sie überhaupt gilt."
Sehr wahrscheinlich habe aber nicht nur die Wahlpflicht allein dazu geführt, dass viele junge Menschen die Möglichkeit zu wählen tatsächlich auch wahrgenommen haben. Denn - auch das ein Ergebnis der Studie - die jungen Menschen interessieren sich durchaus für Politik.
"Ihr Verhältnis zur Politik ist nicht durch ein großes Desinteresse gekennzeichnet. So, wie man das manchmal hört", sagt dazu Professor Pilet. "Wenn man die jungen Wähler mit den anderen Altersgruppen vergleicht, sieht man, dass es da kaum Unterschiede gibt."
Interesse an Politik also ja, aber sehr selten ein großes Interesse bei den jungen Menschen. Das zeige die Studie auch. Genauso, wie sie auch Aussagen über die Wahrnehmung der Politik von jungen Menschen erlaubt. "Die jungen Menschen", sagt Pilet, "sind weniger zynisch, weniger kritisch gegenüber der Art und Weise, wie Politik und Demokratie in Belgien funktionieren. Im Vergleich vor allem zu der Altersgruppe der Menschen zwischen 40 und 60 Jahren, die tendenziell sehr kritisch diesbezüglich sind. Bei den jungen Menschen ist das nicht der Fall, sie sind weniger kritisch, weniger zynisch."
Eine weitere Tendenz bei den Erstwählern sei, dass linke Parteien grundsätzlich attraktiver erscheinen und deshalb öfter gewählt werden als rechte Parteien. Wobei es da auch Unterschiede bei den Geschlechtern gibt: "Es sind die jungen Wählerinnen, die massiv links wählen", sagt der Professor. "Bei den jungen Männern dagegen stellt man fest, dass sie eher so wie der Rest der Bevölkerung wählen, tendenziell eher Mitte-Rechts."
Diese Tendenz, dass Frauen eher links und Männer eher rechts wählen, habe es ja auch bei den US-Wahlen jetzt gegeben. Mit diesem Phänomen stehe Belgien also nicht alleine da.
Von einem anderen Wahlverhalten junger Menschen in anderen Ländern hätten sich die belgischen Erstwähler aber nicht anstecken lassen, nämlich vom Verhalten verstärkt rechtsextreme Parteien zu wählen. Zwar sei es richtig, dass der Vlaams Belang durchaus Stimmen von Erstwählern bekommen habe. Aber nicht überproportional.
"Man erkennt in Belgien nicht das gleiche, was man in vielen anderen europäischen Ländern beobachtet", sagt dazu Professor Pilet. "Über Österreich wird da ja gerade viel gesprochen, wo sich der Erfolg der Rechtsradikalen zum Teil dadurch erklärt, dass viele junge Wähler für die FPÖ gestimmt haben - wenn sie überhaupt wählen gegangen sind. In Belgien ist so ein Phänomen nicht festzustellen."
Kay Wagner