Ab Mitte Januar 2024 machen die Landwirte mobil. Proteste in Deutschland und Frankreich springen auf die Wallonie über, dann erfasst die Welle auch den nördlichen Landesteil. Beim EU-Agrarminister-Treffen Ende Februar in Brüssel strömen knapp 1.000 Traktoren in die Hauptstadt, im und rund um das Europaviertel eskaliert die Lage.
Im Februar wird bekannt, dass in dem Audi-Werk in der Brüsseler Stadtgemeinde Forest künftig nicht mehr der Q8 e-tron vom Band laufen wird, die Produktion wird nach Mexiko verlagert. Die Verhandlungen über einen Sozialplan ziehen sich noch bis zum Ende des Jahres hin, im Dezember beendet die Direktion die Gespräche einseitig. Am kommenden 28. Februar endet in Forest eine Ära, die 1948 begonnen hatte.
In den ersten Monaten des Jahres sorgt aber auch die Drogengewalt wieder für Schlagzeilen. Israel setzt das ganze Jahr über seinen Krieg gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen fort. International blickt man natürlich auch weiterhin besorgt auf die Ukraine. Am 24. Februar jährt sich der Beginn des russischen Angriffskriegs schon zum zweiten Mal.
Erste Erkenntnis der Wahlen vom 9. Juni: Sie verlaufen ohne größere Zwischenfälle - es gab keine größeren Pannen, keine nachhaltige externe Einflussnahme und es gab auch niemanden, der das Ergebnis angezweifelt hätte. In Flandern erobern die flämischen Nationalisten von der N-VA wider Erwarten doch noch den ersten Platz, obschon nahezu alle Umfragen einen klaren Sieg des Vlaams Belang prognostiziert hatten. Große Verlierer sind die Grünen, aber vor allem die OpenVLD des scheidenden Premierministers Alexander De Croo.
Seine liberalen Kollegen im Süden des Landes können ihrerseits feiern, denn die MR hat die PS im frankophonen Landesteil entthront. Und noch einer ist überglücklich: Les-Engagés-Präsident Maxime Prévot, dessen Partei sich eindrucksvoll zurückmeldet.
Flamen und Frankophone scheinen sich überraschend geschlossen für einen Mitte-Rechts-Kurs entschieden zu haben. "Der Wähler hat für erfreulich klare Verhältnisse gesorgt", heißt es. Im frankophonen Landesteil fackeln MR und Les Engagés nicht lange und starten Koalitionsverhandlungen. In der Wallonischen Region und in der Französischen Gemeinschaft nehmen die neuen Regierungen Mitte Juli ihre Arbeit auf.
In Flandern steht die Regierung rund zwei Monate später. Auf föderaler Ebene verhandeln N-VA, MR, Les Engagés, CD&V und Vooruit - "Arizona" getauft, weil sich die Farben oder Symbole, die den Parteien zugeordnet werden, auf der Fahne des US-Bundesstaates wiederfinden lassen.
Der Sommer steht ganz im Zeichen des Sports. Erst ist da die Fußball-EM in Deutschland, bei der für die Roten Teufel früh Schluss ist. Bei der Tour de France wird Remco Evenepoel bei seiner ersten Teilnahme gleich Dritter - und eben dieser Remco Evenepoel verzaubert das ganze Land dann mit seinen Leistungen bei den Olympischen Spielen in Paris, wo er gleich zwei Goldmedaillen gewinnt. Siebenkämpferin Nafissatou Thiam wird zum dritten Mal in Folge Olympiasiegerin - eine unglaubliche Leistung. Die Medaillenbilanz von Team Belgium fällt sehr positiv aus: drei Mal Gold, ein Mal Silber und sechs Mal Bronze.
Am 26. September setzt Papst Franziskus seinen Fuß auf belgischen Boden. Knappe drei Tage wird der Papst im Land sein. Unmittelbarer Anlass sind die Feierlichkeiten zum 600. Jahrestag der Gründung der Katholischen Universität Löwen. Überschattet wird der Besuch durch den Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche, der gerade vor einigen Monaten wieder aufgeflammt war.
Der 13. Oktober: Rund 8,3 Millionen Belgier sind aufgerufen, die Gemeinde- und Provinzialräte neu zusammenzustellen. In Flandern gilt dabei erstmals keine Wahlpflicht im Gegensatz zu den übrigen Landesteilen, wo die Regelung beibehalten wurde. Das Fazit der Wahlen in einem Satz: Die Arizona-Parteien gehen allesamt gestärkt aus den Lokalwahlen hervor.
De Wever versucht, diesen Schwung mitzunehmen. Denn langsam drängt die Zeit: Die EU-Kommission wartet auf einen belgischen Haushalt, will wissen, wie die Regierung das Budget wieder in die Spur bringen will. De Wever findet aber nicht den gemeinsamen Arizona-Nenner, eine neue Föderalregierung lässt weiter auf sich warten. Nur eine Entscheidung hat Arizona getroffen: Die scheidende Außenministerin Hadja Lahbib wird neue EU-Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement.
Derweil wird am 5. November in den USA Donald Trump wieder zum Präsidenten gewählt. Im Nahen Osten überschlagen sich die Ereignisse. Israel führt inzwischen einen Mehrfrontenkrieg, mehrmals kommt es im Laufe des Jahres zur direkten Konfrontation mit dem Iran. Im Herbst trägt Israel seinen Krieg dann auch in den Libanon. Im Dezember gerät dann noch Syrien aus den Fugen. Die Armee von Diktator Baschar Al-Assad wird von Rebellen überrannt, der "Schlächter von Damaskus" muss nach Russland fliehen.
Regierungsbildner De Wever ist Mitte Dezember zu seinem 16. (!) Besuch im Palast und bekommt noch einmal zusätzliche Zeit - diesmal bis zum 7. Januar. Sogar über die Weihnachtstage wird weiterverhandelt. Auf alle Regierungen warten in jedem Fall große Herausforderungen, betont der König auch nochmal in seiner Weihnachtsansprache.
Die Themen, die uns im kommenden Jahr beschäftigen werden, sind alle schon angeklungen: das Budget und die nötigen Sparmaßnahmen, die Präsidentschaft von Donald Trump und ihre Folgen für Europa, das Säbelrasseln aus dem Kreml und die Entwicklung im Nahen Osten.
Diesmal fällt es doch etwas schwer, mit Zuversicht auf das kommende Jahr zu blicken. Man kann es aber auch anderes sehen: 2025 kann im Grunde nur besser werden als befürchtet.
Roger Pint