"Wir sähen lieber, wenn dieses Abkommen nicht zustande kommt", sagt ein protestierender Landwirt in der RTBF. Gemeint ist das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur.
Vollmitglieder sind Brasilien, Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay. Hinzu kommen, als sogenannte assoziierte Staaten, Chile, Peru, Kolumbien, Ecuador, Guyana und Suriname.
Die Befürworter sehen in dem Abkommen eine Chance, denn dadurch würde eine der weltweit größten Freihandelszonen entstehen mit über 700 Millionen Einwohnern. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel, dass dann Zölle und sonstige Einfuhrbeschränkungen wegfallen.
Gefahr für Europas Landwirtschaft
Genau da sehen die Landwirte aber ein Problem. Denn: Das Freihandelsabkommen schließt auch landwirtschaftliche Erzeugnisse mit ein. Und Bauernverbände befürchten, dass hier eine neue Konkurrenz für die heimischen Produzenten entstehen könnte.
Und eine unlautere noch dazu. Denn, so beklagte diese Landwirtin in der RTBF: "Wir haben hier in Europa natürlich ganz andere Auflagen einzuhalten als unsere südamerikanischen Kollegen, unter anderem Umweltnormen. Heißt: Wir können hier nicht so kostengünstig produzieren wie anderswo in der Welt. Wir befürchten denn auch, dass dieses Freihandelsabkommen die Landwirtschaft in Belgien und in der EU insgesamt gefährdet", sagt die junge Landwirtin.
"Die EU und Südamerika, das sind quasi unterschiedliche Planeten", da sind sich die Landwirte einig. "Wir tun hier alles, um 'nicht nur sauber, sondern rein' zu sein", meint auch dieser Kollege.
In Südamerika hingegen ist Tierwohl ein Fremdwort, sind die sozialen Normen auch nur dürftig. "Wir hier in der EU, wir versuchen in allen Belangen, spitze zu sein. Wenn's auch nicht immer einfach ist, aber wir tun das für die Verbraucher."
"Wir sind gegen Einfuhren von landwirtschaftlichen Produkten", sagt folgerichtig dieser Landwirt. "Oder, wenn, dann nur, wenn eine 'Spiegelklausel' vorgesehen wird. Heißt konkret: gleiche Normen für alle!"
Clarinval versteht Unmut
Der föderale Vizepremier- und Agrarminister David Clarinval zeigte am Nachmittag im Parlament Verständnis für die Proteste der Landwirte. Das Mercosur-Freihandelsabkommen sei in seiner jetzigen Form noch zu unausgewogen, sagte der MR-Politiker während der wöchentlichen Fragestunde in der Kammer.
Es fehle tatsächlich noch eine Klausel, die dafür sorgt, dass für die südamerikanischen Bauern dieselben Auflagen gelten wie für die europäischen. Belgien werde sich dennoch nicht den Gegnern anschließen können, sondern sich lediglich enthalten, so Clarinval.
Trotz dieser grundlegenden Bedenken seinerseits könne sich Belgien aber nicht den Gegnern des Abkommens anschließen, sagte Clarinval. In dieser Frage müsse man sich nämlich mit den Regionen abstimmen. Und im Gegensatz zur Wallonie sei Flandern ein Mercosur-Befürworter. In einem solchen Fall müsse sich Belgien nun mal im Ministerrat enthalten.
Die Verhandlungen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten sind mittlerweile auf der Zielgeraden. Deswegen schalten die Landwirte jetzt auch einen Gang höher.
Aktion an der E40 ohne Zwischenfälle
An der Autobahn E40 waren es am Donnerstagvormittag noch ein gutes Dutzend Traktoren, die die Fahrbahn Höhe Welkenraedt in Richtung Lüttich blockieren - zwischenzeitlich waren es noch mehr.
Die Aktion an der E40 verlief ohne Zwischenfälle. Die Autofahrer hätten großes Verständnis, so Laurent Klein, Hauptinspektor bei der Föderalen Polizei. Zu den Auswirkungen auf den Verkehr sagt er: "Es hält sich in Grenzen. Zur Spitzenzeit im Berufsverkehr war etwas mehr als sonst. Aber insgesamt verläuft es doch angesichts der Umstände relativ gut."
Obwohl der Bauernbund Ostbelgien an der Aktion nicht teilgenommen hat, waren auch ostbelgische Landwirte bei der Blockade am Eupener Autobahnkreuz zu finden. So zum Beispiel der Ameler Landwirt Roland Backes.
Déjà-Vu für Junglandwirte
Für die Junglandwirte muss sich das wie ein Déja-Vu anfühlen. Schon zu Jahresbeginn hatten die Landwirte ihren Unmut kundgetan. Tagelang hatten sie protestiert, vor allem gegen sinkende Einnahmen, Umweltvorschriften aus Brüssel und ihrer Meinung nach zu viele Vorgaben.
Damals konnten die Bauern den verschiedenen Regierungen des Landes und vor allem der EU eine Reihe von Zugeständnissen abringen. Doch sei davon nur ein geringer Teil auch umgesetzt worden, beklagen die Bauern.
Viele haben das Gefühl, der bisherige Protest habe nicht die erhofften Erfolge gebracht. Umso entschlossener sind sie jetzt im Kampf gegen das Mercosur-Abkommen. Wie lange sie die Proteste durchziehen wollen, ist noch offen.
Roger Pint