Für bestimmte Krebserkrankungen gibt es in Belgien schon den Trend zur Bündelung medizinischer und nicht-medizinischer Expertise in Referenzzentren beziehungsweise anerkannten Fachkliniken. Das ist zum Beispiel für Brustkrebs der Fall. "Das gilt aber eben nicht für alle Arten von Krebs", unterstreicht Ward Rommel von "Kom op tegen kanker" im Interview mit der VRT.
Es sei noch immer so, dass selbst komplexe Krebsbehandlungen von sehr vielen Krankenhäusern im Land durchgeführt würden. Die Folge sei, dass einige dieser Krankenhäuser nur wenige Eingriffe einer bestimmten Art pro Jahr durchführten. Das wirke sich auf die Qualität aus. Je mehr Behandlungen in einem Krankenhaus stattfänden, desto besser die Chancen auf eine Heilung. Deswegen plädiere "Kom op tegen kanker" auch konsequent für die Konzentrierung solcher Behandlungen in einigen wenigen, spezialisierten Zentren. Das bedeute, dass Patienten eine längere Anreise in Kauf nehmen müssten, räumt Rommel ein.
Die große Frage bisher sei gewesen, ob die Patienten selbst das überhaupt wollten. Darauf habe man nun eine klare Antwort nach der Befragung von 1.250 Krebspatienten und ihren Angehörigen: Die Patienten entschieden sich für Qualität und seien dafür auch bereit, länger unterwegs zu sein.
Konkret sagen 90 Prozent der Befragten, dass sie bereit sind, für eine spezialisiertere Behandlung eine Stunde Anreise in ein Referenzzentrum in Kauf zu nehmen für eine einmalige Behandlung. 77 Prozent sind sogar zu anderthalb Stunden Weg bereit. Und immer noch 70 Prozent, also deutlich über zwei Drittel, würden auch für mehrfache Termine eine einstündige Anreise akzeptieren. Eine große Überraschung sei das zwar nicht unbedingt, schließlich gehe es um die Gesundheit der Menschen, so Rommel. Aber es sei trotzdem ein wichtiges Ergebnis, das man nun schwarz auf weiß habe.
Natürlich sei eine längere Anreise zur Behandlung nicht für alle Arten von Patienten gleich einfach. Aber man habe bei der Befragung festgestellt, dass quasi alle Patienten bereit seien, dieses Opfer zu bringen. Unabhängig von ihrem Alter oder ihrer sozioökonomischen Situation sei das Vertrauen in Referenzzentren groß.
Außerdem sei es auch gut zu wissen, dass nicht nur die Patienten selbst dazu bereit seien, sondern vor allem auch ihre Angehörigen, betont der Experte. Denn natürlich unterstützten viele Angehörige Patienten tatkräftig während ihrer Therapie, seien also auch direkt betroffen von solchen Änderungen.
Ein weiteres interessantes Element der Umfrageergebnisse sei, welche Faktoren Menschen zusätzlich motivieren würden, eine längere Anreise in Kauf zu nehmen. Dazu gehöre etwa, mehrere Termine zu bündeln, oder auch, dass nur die komplexen oder besonders kritischen Teile einer Behandlung in einem Referenzzentrum stattfänden und der Rest der Behandlung in einem örtlichen Krankenhaus, dass es gute und zuverlässige Krankentransporte gebe zwischen den verschiedenen Behandlungsorten und so weiter.
Die flämische Krebshilfe fühlt sich durch die Umfrageergebnisse jedenfalls bestärkt in ihren Anstrengungen. "Kom op tegen kanker" hoffe wirklich, dass auch die nächste föderale Regierung den eingeschlagenen Weg der Bündelung komplexer Krebsbehandlungen in Referenzzentren weitergehe. Insbesondere bei eher seltenen Krebsarten sei da noch viel Luft nach oben.
Eines will der Experte aber trotzdem auch klarstellen: Das Ziel von "Kom op tegen kanker" sei sicher nicht, Krebsbehandlungen komplett zu zentralisieren. Es gehe explizit um die besonders sensitiven oder komplexen Teile der Behandlungen. Zentralisierung mache nur Sinn, wenn auch die Patienten davon profitierten.
Auch mit mehr Referenzzentren werde es sicher mehr als genug Arbeit geben für alle Krankenhäuser und das dort tätige Personal des Gesundheitssektors, darüber müsse man sich keine Sorgen machen.
Boris Schmidt