Die allermeisten Menschen dürften sich heutzutage zumindest diffus darüber bewusst sein, dass Pestizide nicht besonders gesund sind. Abzulesen ist dies an der großen Resonanz auf einen Aufruf, bei einer Untersuchung zur Anwesenheit von Pestiziden in den heimischen vier Wänden mitzumachen. Über 3.000 Haushalte aus Flandern und den Niederlanden meldeten sich dazu bei der Umweltorganisation Velt ("Vereniging voor Ecologisch Leven en Tuinieren", zu Deutsch "Vereinigung für ökologisches Leben und Gärtnern)".
Aus diesem Pool an Bewerbern mussten erstmal alle Kandidaten aussortiert werden, die selbst im oder um das Haus Pestizide einsetzten. Auch wer gekaufte Zimmerpflanzen im Schlafgemach stehen hatte, kam nicht in Frage, denn schließlich hätten auch sie das Ergebnis durch eingeschleppte Pestizide verfälschen können. Von den verbliebenen Haushalten wurden dann über 100 ausgewählt, um Staub-Proben aus ihrem Schlafzimmer zur Analyse abzugeben.
Bei den Messungen seien in den 112 untersuchten Schlafzimmern 137 unterschiedliche Pestizide entdeckt worden, fasst Pestizid-Experte Geert Gommers von Velt gegenüber der VRT die Ergebnisse zusammen, die den einen oder anderen vermutlich nicht mehr ganz so gut schlafen lassen. In jedem untersuchten Schlafzimmer seien Pestizide und im Schnitt 21 Pestizide pro Schlafzimmer gefunden worden, was ein recht hoher Wert sei. Der Spitzenreiter der Messung bringe es sogar auf 52 Pestizide, so Gommers weiter.
Die Studie von Velt ist auch kein Ausreißer, wie das "Pesticide Action Network" (PAN), ein Verband von Nichtregierungsorganisationen, am Mittwoch in einem Pressekommuniqué unterstreicht. Die Velt-Messungen in Flandern und den Niederlanden bestätigten Studien, die in den letzten Jahren in zahlreichen europäischen Ländern durchgeführt worden seien.
Nicht weniger beunruhigend als die Zahl der gefundenen Pestizide ist ihre Art. Im Schnitt habe man sieben Pestizide entdeckt, die den Hormonhaushalt stören könnten und auch einige, die Krebs verursachen beziehungsweise das Nervensystem schädigen könnten. Auch seien vier bis fünf Pestizide gefunden worden, die die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnten.
Bei sehr vielen der gefundenen Substanzen lasse sich außerdem ein direkter Bezug zur Landwirtschaft feststellen, teilt die Umweltorganisation mit. Erschreckend ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst das berüchtigte DDT nachgewiesen worden ist, das seit 50 Jahren nicht mehr benutzt werden darf. Das weise darauf hin, dass sich manche Pestizide nur extrem langsam abbauten und weiter zirkulierten, erklärt Gommers dazu.
Ein weiterer wichtiger Befund der Studie ist allerdings, dass die Landwirtschaft bei weitem nicht das einzige Problem zu sein scheint. Die am häufigsten und in den höchsten Konzentrationen festgestellten Pestizide sind Insektenbekämpfungsmittel, wie man sie etwa in Anti-Mücken-Sprays und -Steckern oder auch in Halsbändern gegen Flöhe und Zecken bei Haustieren findet.
Obschon die Ergebnisse der Erhebung dramatisch sind, besteht nach Aussagen verschiedener Experten kein Grund zur Sorge. Es sei bekannt, dass ein Mensch etwa zehn Mikrogramm Staub pro Tag einatme, so beispielsweise Professor Pieter Spanoghe von der Universität Gent, also zehn Millionstel Gramm. Wenn man sich die von Velt gemessenen Pestizidkonzentrationen im Schlafzimmerstaub anschaue, seien diese also extrem niedrig - so wie auch die damit verbundenen Gesundheitsrisiken.
Diese Einschätzung teilt auch der Toxikologe Jan Tytgat von der KU Löwen, der zu dem Fazit kommt, dass zumindest die breite Bevölkerung sich keine Sorgen über Pestizide im Schlafzimmer machen müsse.
Boris Schmidt