Es ist schon 20:15 Uhr an diesem Abend im Erdgeschoss des Instituts für moderne Sprachen am Rande der Altstadt von Löwen. Langsam sollte die Veranstaltung losgehen. Doch immer noch stehen Leonie Van Lierop und Stef Van Aken, die beiden jungen Deutschdozenten und Organisatoren des Abends, gemütlich bei den Getränken, die sie den ankommenden Gästen servieren. Halten einen Plausch hier, begrüßen jemanden dort, und scheinen nicht daran zu denken, das Event zu beginnen.
Was wohl die Teilnehmer machen, die schon in die Räume gegangen sind im Flur nebenan? In Raum eins herrscht gähnende Leere. In Raum zwei sind die fünf Tischgruppen schon fast voll besetzt. Und statt sich zu langweilen, wird fleißig miteinander gesprochen - und zwar in deutscher Sprache.
Hemmungen scheint keiner beim Sprechen zu haben - obwohl Deutsch nur für die wenigsten die Muttersprache ist. Vielmehr sind es vor allem Flamen, viele Studenten, aber auch einige ältere Semester, die heute Abend hierhin gekommen sind. Ihr Ziel: Deutsch sprechen - wenn möglich mit Muttersprachlern.
Auf den Tischen, an denen sie jetzt sitzen und sich unterhalten, liegen grüne und rote Karten. Auf ihnen sind Fragen geschrieben, die zu Gesprächen anregen sollen. Die Fragen auf grünen Karten erfordern ein Anfängerniveau in Deutsch. Bei den roten Karten werden die Fragen etwas anspruchsvoller. "Was verbindet dich mit deutscher Sprache und Kultur?", ist eine dieser Fragen. "Wie lautet dein Lebensmotto?", eine andere. "Wie fühlt es sich an, du zu sein?", eine weitere.
Die meisten Tischgruppen kommen jedoch ohne diese Fragen aus. Und dann taucht plötzlich Stef auf mit einer Bitte, nämlich: "Den anderen Raum zu erkunden. Zum anderen Raum zu kommen. Denn da gibt es so ein bisschen Speed-Dating. Und dann werden wir dafür sorgen, dass die Niederländischsprachigen alle mal mit einem Deutschsprachigen reden können. Gut? Ist das gut?"
Es ist gut. Zunächst gehen die sieben deutschen Muttersprachler des Abends in Raum eins hinüber, wenig später folgen die ersten sieben Flamen. Jetzt beginnen also die Einzelgespräche. Auch das klappt auf Anhieb ziemlich gut.
Währenddessen laufen die Gespräche an den Tischen in Raum zwei weiter. Dort sitzen jetzt nur noch Flamen. Aber auch dort wird weiter ausschließlich auf Deutsch kommuniziert.
Die Organisatoren Leonie und Stef haben kaum etwas zu tun. Zeit also nachzufragen, wie es ihrer Meinung nach läuft? "Toll! Ich glaube, die Atmosphäre ist super gut. Und alle freuen sich, Deutsch zu sprechen", sagt Stef. "Sehr toll", freut sich auch Leonie. "Wir haben vielleicht ein paar weniger Leute als erwartet. Aber ich merke, dass sie hier sehr gerne sind und dass es sehr unterschiedliche Gespräche gibt. Und vor allem auf Deutsch. Also, das freut uns."
Nach vielleicht 15 Minuten kommen die nächsten Flamen dran, die sich jeweils mit einem einzigen deutschen Muttersprachler austauschen dürfen. Dieses Wechselspiel geht so lange weiter, bis jeder deutschlernende Flame, der möchte, einmal in den Genuss gekommen ist, allein von Angesicht zu Angesicht mit einem Muttersprachler Deutsch zu sprechen. Genau so, wie Stef das zu Beginn angekündigt hatte.
Selbst als die Veranstaltung eigentlich schon zu Ende sein sollte, reden die meisten Gesprächspaare und Tischgruppen unbeirrt weiter. Beim Deutschsprechen kann man wohl die Zeit vergessen. Und als schließlich doch die Ersten den Weg nach Hause antreten, fallen die Urteile über den Abend einhellig positiv aus: "Hat Spaß gemacht!" - "Man kann mal mit anderen deutschen Leuten sprechen und neue deutsche Wörter lernen." - "Dieser Abend hat viel Spaß gemacht. Ich habe viel gelernt, und ich konnte sehr kreativ sein mit der Art und Weise, wie ich deutsch spreche." - "Ich finde es sehr toll, neue Menschen kennen zu lernen und auch auf Deutsch zu sprechen. Weil ich das nicht so viel tue." - "Es war ganz toll. Ich konnte Deutsch sprechen, und ich habe auch interessante Leute getroffen."
Kay Wagner