Der Rücktritt war vor allem von der N-VA lautstark gefordert worden. Die frankophonen Parteien verteidigten Koelkelberg zwar nicht, aber nachdem der oberste Dienstherr der Polizei seinen Hut genommen hatte, sprachen sie empört von "Lynch-Justiz".
Diesmal hat Fernand Koekelberg sehr schnell gehandelt. Obwohl ihn niemand zum Rücktritt zwingen konnte, gab er diesen völlig überraschend am letzten Sonntag selbst bekannt.
Wahrscheinlich war ihm klar geworden, dass ein Polizeichef, der wiederholt im Kreuzfeuer der Kritik stand, selbst in den eigenen Reihen nicht mehr die Autorität besitzt, um sein Amt noch korrekt wahrnehmen zu können.
Die Beförderung seiner beiden Sekretärinnen in Ämter, für die sie angeblich gar nicht die Bedingungen erfüllten, war zwar, nachdem sie viel Staub aufgewirbelt hatte, inzwischen abgehakt, doch noch nicht vergessen - und da sickert durch, dass er sich eine Dienstreise nach Katar stolze 92.000 Euro kosten ließ.
Das waren rund 12.000 Euro pro Nase der achtköpfigen Delegation. Eine Summe, die angeblich dadurch zu erklären war, dass ein Teil des Betrages für Lobbying-Zwecke gedient hatte, um auf diese Weise Koekelbergs Kandidatur für den Posten des Interpol-Vizepräsidenten günstig zu beeinflussen. Dazu muss zunächst die Frage erlaubt sein, inwiefern Luxusgeschenke ein Kriterium für die Vergabe eines solchen Postens sein können. Eigentlich sollte dafür doch einzig und allein die berufliche Qualifikation ausschlaggebend sein. Anscheinend wird dies in höchsten Polizeikreisen anders beurteilt. Übrigens hat Koekelberg den Posten nicht bekommen.
Schlammschlacht vereitelt
Wie dem auch sei, mit seinem Rücktritt hat er die einzige richtige Konsequenz gezogen. Nicht nur wurde dadurch eine weitere Schlammschlacht um seine Person vereitelt, sondern auch eine Geste vollzogen, die dem Ansehen und Funktionieren der Föderalen Polizei nur dienlich sei kann. Erläuternd sei dazu erwähnt, dass Fernand Koekelberg sich in einer Dienstnote an seine Untergebenen höchstpersönlich dafür verwendet hatte, dass man bei Dienstreisen gefälligst darauf achten sollte, die Kosten auf das strikt notwendige Minimum zu beschränken. Wie hätte er denn vor seinen Leuten gestanden, nachdem bekannt wurde, dass er selbst genau das Gegenteil dieser Empfehlung praktiziert.
Die persönliche Einsicht, dass so etwas nicht geht, hat sicherlich die Entscheidung zum Rücktritt zu Recht mit beeinflusst. Zum anderen wird er sich gesagt haben , dass ein Polizeichef, der nicht zum ersten Mal im Mittelpunkt eines Skandals steht, kein Aushängeschild für jenen öffentlichen Dienst ist, dessen wichtigste Aufgabe darin besteht, die Einhaltung des Gesetzes zu gewährleisten. An der Spitze der Polizei kann nur ein Chef funktionieren, der absolut integer ist und mit gutem Beispiel vorangeht. Genau dies jedoch konnte Koekelberg nicht mehr für sich beanspruchen.
Politischer Opportunismus
Hält man sich diese Tatsache vor Augen, wirkt die Reaktion von einigen frankophonen Politikern wie Delpérée und Ducarme, der Polizeichef sei Opfer einer flämischen Lynch-Justiz geworden, geradezu lächerlich. Weshalb, so muss man sich fragen, haben denn die cdH und die MR, die jeweilige politische Heimat der beiden Kritiker, den polizeilichen Dienstherrn nicht unverzüglich verteidigt, als sein Fauxpas bekannt wurde? Vermutlich, weil auch sie der Überzeugung waren, dass 92.000 Euro für diese Katar-Reise nicht zu rechtfertigen sind. Als jedoch die flämische Kritik zu Koekelbergs Rücktritt führte, witterten sie auf einmal "Lynch-Justiz". Das riecht nach politischem Opportunismus der übelsten Sorte.
Dienstreisen allgemein
Und damit wären wir beim Kapitel Politik, in dem Dienstreisen keineswegs so selten sind. Wie oft reisen Abordnungen von Senatoren und Abgeordneten um den halben Erdball, angeblich in politischer Mission. Schaut man jedoch etwas genauer hin, stellt man fest, dass häufig kaum mehr dahinter steckt als ein kleiner Urlaub auf Kosten des Steuerzahlers. Bei dieser Art von politischem Tourismus werden nicht nur sämtliche Kosten vom Parlament bezahlt, zusätzlich gibt es meist auch noch einen täglichen Spesensatz, so eine Art Taschengeld, für jeden Teilnehmer, über den niemand Rechenschaft ablegen muss.
Vielleicht sollte man die Affäre Koekelberg zum Anlass nehmen, auch für politische Dienstreisen die Regeln und Auflagen etwas transparenter und strikter zu gestalten. Es wäre nicht nur eine gute Sache für die Staatskasse, sondern auch eine Möglichkeit, dem Ansehen der Politik - und somit der Demokratie - einen Dienst zu erweisen.
Fernand Koekelberg soll ja übrigens nicht leer ausgehen, sondern, so war zu hören, die neue Funktion eines Verbindungsoffiziers zwischen den Regionen und der Föderalen Polizei für monatlich 5.000 Euro netto erhalten. So würde sich auch für ihn der Wahlspruch seiner Behörde bewahrheiten: Die Polizei, dein Freund und Helfer.
Bild: Eric Lalmand (belga)