Um die Regierungsbildung in Belgien ist es in den vergangenen Tagen recht still geworden. Das heißt allerdings nicht, dass der vom König eingesetzte Verhandlungsführer, der CD&V-Vorsitzende Wouter Beke, zum Karnevalsurlaub die Hände in den Schoß gelegt hat.
Im Gegenteil: Hinter den Kulissen scheint sich einiges zu tun, so vermuten jedenfalls innenpolitische Beobachter in Brüssel vor dem Hintergrund jüngster Äußerungen führender frankophoner Politiker.
Beke spricht mit De Wever und Di Rupo
Wie Beke zu Beginn seines Auftrages angekündigt hat, konzentriert er seine Gespräche zurzeit praktisch einzig und allein auf die beiden Wahlsieger, also auf die PS und die N-VA. Mit den Präsidenten dieser beiden Parteien, Di Rupo und De Wever, ist er in den letzten Tagen bereits mehrmals zusammengetroffen, um über die heißen Eisen zu sprechen, die die N-VA als Voraussetzung zu einem Koalitionsabkommen betrachtet, nämlich eine Einigung über Brüssel-Halle-Vilvoorde, über ein neues Finanzierungsgesetz, sowie über die Übertragung wesentlicher neuer Kompetenzen an die Regionen und Gemeinschaften.
Ob dabei Fortschritte erzielt worden sind, ist nicht bekannt. Es heißt lediglich, dass beide Seiten sich konstruktiv verhalten und auch entsprechend verhandeln - aber ob sie auch zu den Konzessionen bereit sind, die man gegenseitig voneinander erwartet und die zu einer Einigung unerlässlich sind, das ist eine andere Frage.
Man munkelt: Bewegung zu erwarten
Trotz dieser Funkstille sprechen innenpolitische Beobachter in Brüssel von einem neuen Fakt, der in Kürze bereits für Bewegung bei der Regierungsbildung sorgen könnte. Gemeint ist damit die jüngste Antwort von PS-Präsident Di Rupo auf die Forderung der N-VA, an den Beratungen über den Haushalt 2011 beteiligt zu werden.
Bekanntlich muss Belgien der Europäischen Kommission gegen Ende April/Anfang Mai dazu ein Konzept vorlegen, bei dem also die Partei von Bart De Wever ein Wort mitreden möchte. Darauf antwortet Di Rupo: Wenn die N-VA das möchte, dann muss sie eben dafür sorgen, dass schleunigst eine neue Regierung gebildet wird, der sie angehört. Dann ist es normal, dass die neue Regierung einen Haushalt ausarbeitet und die N-VA als Mitglied der neuen Regierung ein gewichtiges Wort mitredet.
Wenn allerdings in den nächsten Wochen keine neue Regierung zustande kommt, dann muss die geschäftsführende Regierung Leterme eben diese Haushaltsaufgabe wahrnehmen, und zwar ohne Mitspracherecht der N-VA, weil diese der Regierung ja nicht angehört.
Das ist ganz offensichtlich ein Versuch, den Druck auf die flämischen Nationalisten zu erhöhen, damit sie bei den Verhandlungen zur Regierungsneubildung endlich auch Zugeständnisse machen - damit möglichst bald eine neue Regierung zustande kommt. Doch geht es nicht allein darum, Druck auszuüben, sondern wahrscheinlich auch darum, der Partei von Bart De Wever klarzumachen, dass man eine Regierung auch ohne sie bilden kann. Dass sie also nicht unverzichtbar ist, wenn die so genannten traditionellen Parteien, also die Christlichsozialen, Sozialisten und Liberalen, sich über ein Koalitionsabkommen einig werden.
Regierung ohne die N-VA: Parteien dazu bereit?
Auf frankophoner Seite dürfte das kein Problem sein. Man kann sich sogar vorstellen, dass PS, MR und CDH sich eine Koalition ohne die N-VA wahrscheinlich wünschen, weil sie dann weniger Konzessionen in Sachen Staatsreform machen müssten. Auf flämischer Seite sind die Sozialisten und die liberale OpenVLD, wenn's nicht anders geht, voraussichtlich auch dazu bereit.
Das große Fragezeichen bleiben die Christlichsozialen der CD&V. Sie tun sich von den flämischen Parteien zweifellos am schwersten, aus dem Schatten der N-VA zu treten und Regierungsverantwortung ohne die Partei von Bart De Wever zu übernehmen. Wenn allerdings die frankophonen Parteien in Sachen Staatsreform, Finanzierungsgesetz und BHV bereit sind, auf die wichtigsten flämischen Forderungen einzugehen, dann könnte letztlich auch die CD&V dazu zu bewegen sein, eine Regierung ohne die N-VA zu bilden.
Im Klartext: Wenn die N-VA weiter daran festhält, praktisch ihr komplettes Parteiprogramm in ein Regierungsabkommen zu übernehmen, dann könnte sie letztlich außen vor bleiben und eine Regierung ohne sie zustande kommen. Jedenfalls wäre das sicherlich eine Alternative zu Neuwahlen, die angeblich niemand will. Ob wir uns in diese Richtung bewegen, dürfte sich in den nächsten zwei bis drei Wochen zeigen.
Archivbild belga