Die Föderalagentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette (Afsca) spricht von einer Entwicklung, die den Erwartungen und Vorhersagen entspreche, aber für Betroffene ist das kein Trost. Allein die Zahlen zeigen überdeutlich, mit welcher Geschwindigkeit sich die Blauzungenkrankheit in Belgien ausbreitet. Wurden vor einer Woche noch knapp 870 Ausbrüche gezählt, waren es Montag fast 1.200, das ist ein Plus von rund 37 Prozent.
Flandern sei von einer regelrechten Flutwelle überspült worden, beschreibt André Calus, Vorsitzender eines flämischen Schafhalter-Verbands, die dramatische Lage in der VRT. Es seien wirklich schwere Tage für seinen Sektor. Belgienweit gibt es laut Calus etwa zwischen 130.000 und 140.000 Schafe. 11.000 von ihnen sind in den vergangenen Wochen vermutlich am Blauzungenvirus gestorben - ein doch erheblicher Anteil. Plus etwa 6.000 Rinder.
Die Menge an verendeten Tieren wird mittlerweile so groß, dass selbst die Tierkörperbeseitigung an ihre Grenzen stößt. Insgesamt müsse man aktuell pro Woche etwas weniger als 5.000 tote Schafe abholen und in etwa die gleiche Zahl Rinder, so Sebastien Feyten vom Tierkörperverwerter Rendac. Das seien gigantische Zahlen, die Blauzungenkrankheit sorge für viel mehr Meldungen und Arbeit als sonst. Die Zahl toter Rinder liege doppelt so hoch wie normal, bei den Schafen sei es sogar vier bis fünf Mal so viel. Die Firma muss inzwischen sogar samstags und an Feiertagen arbeiten, um die ganzen Kadaver innerhalb akzeptabler Fristen beseitigen zu können.
Feyten vermutet zwar, dass sich die Epidemie in Belgien langsam ihrem Peak nähert, aber André Calus ist da weniger zuversichtlich. Zwischen 2006 und 2008 hat das Blauzungenvirus Belgien schon einmal heimgesucht. Damals seien global betrachtet etwa 20.000 bis 30.000 Schafe pro Jahr gestorben, so Calus. Er habe in jedem Jahr 20 bis 25 Prozent seiner erwachsenen Tiere verloren. Calus erwartet auch kein schnelles Ende des Ausbruchs. Aus Erfahrung und in Anbetracht der jetzigen Lage wisse man, dass die Krise bis tief in den Herbst andauern werde, bis Ende Oktober, November, bis die Temperaturen sinken würden. Denn das Blauzungenvirus wird von Mücken übertragen, erst die Kälte wird ihnen den Garaus machen.
Tiere präventiv impfen
Die Afsca empfiehlt, die Tiere präventiv impfen zu lassen. Allerdings müssen die Viehhalter die Kosten dafür komplett selbst tragen. Eine Impfung reicht laut Calus auch nicht, zwei müssten es schon sein. Pro Impfung und Schaf koste das etwa vier bis fünf Euro. Bei großen Herden könnten schnell erhebliche Summen zusammenkommen.
Es gibt noch ein Problem: Es dauere drei bis vier Wochen, bis die Tiere nach den Impfungen genug Antikörper gebildet hätten, um geschützt zu sein gegen das Virus – keine kurzfristige Lösung. Calus empfiehlt die Impfungen trotzdem. Alleine schon wegen der Kosten, die im Fall einer Erkrankung anfallen: Kranke Tiere pflegen koste Geld, der Verlust von Tieren koste Geld, die Beseitigung der Kadaver ebenfalls. Da seien eventuelle Folgen für die Zucht und die Planung noch gar nicht berücksichtigt.
Zusätzliche Kosten könnten aber auch auf die Konsumenten zukommen, denn das Blauzungenvirus grassiert nicht nur in Belgien. Großbritannien, Deutschland, Frankreich und die Niederlande - ganz Westeuropa habe das gleiche Problem. Weniger Schafe beziehungsweise Lämmer bedeuteten höhere Preise. Diese Entwicklung beginne man auch bereits zu spüren, so Calus.
Boris Schmidt