Wenn es in Belgien so etwas wie das Gesicht für humanitäre Helfer beziehungsweise für das gibt, was ihnen manchmal widerfährt, dann ist das zweifelsohne Olivier Vandecasteele. Der belgische Entwicklungshelfer war vom iranischen Regime zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Erst nach über 450 Tagen kam er im Austausch gegen einen verurteilten iranischen Terroristen wieder frei.
Seitdem engagiert sich Vandecasteele unter anderem für einen besseren Schutz von humanitären Helfern und ist auch Vorsitzender einer von ihm gegründeten Nichtregierungsorganisation. Diese Organisation hat am Montag zusammen mit zwei weiteren einen Aufruf gestartet, um humanitäre Helfer weltweit besser zu schützen und zu unterstützen. Das Datum ist dabei kein Zufall: Der 19. August ist der Welttag der humanitären Hilfe.
"Die Gewalt gegen humanitäre Helfer nimmt weltweit zu", erklärt Vandecasteele im Interview mit der RTBF. "Fast 600 Helfer wurden 2023 zu Opfern und dieser Aufwärtstrend setzt sich auch fort."
Mit 280 Todesopfern ist 2023 auch das tödlichste Jahr für humanitäre Helfer. Das macht normalerweise vor allem dann Schlagzeilen, wenn es um internationale Opfer geht. "Aber bei über 95 Prozent der Opfer handelt es sich um Helfer, die für lokale oder nationale Hilfsorganisationen arbeiteten, beziehungsweise um die örtliche Bevölkerung, die für internationale Organisationen vor Ort tätig ist", betont Vandecasteele.
Diese Menschen würden zu wenig beachtet und bekämen auch zu wenig Unterstützung. Das mache sie auch verwundbarer für Einschüchterungsversuche, Bedrohungen und Gewalt. Auch prangert Vandecasteele an, dass es große strukturelle Unterschiede zwischen den internationalen, großen Hilfsorganisationen und kleineren, lokalen Initiativen gibt.
Angesichts dieser Ungerechtigkeit und der Bedrohungen sieht Vandecasteele vor allem zwei große Prioritäten:
Zum einen müssten die Opfer Zugang zur Justiz bekommen. Wenn das auf nationaler Ebene nicht möglich sei, dann müsse das eben auf internationaler Ebene geschehen. Denn aktuell käme es kaum zu Gerichtsprozessen, wenn Helfer bedroht, misshandelt, entführt oder getötet würden. Diese Straflosigkeit müsse dringend und konkret bekämpft werden, damit sich langfristig etwas ändern könne.
Aber Vandecasteele und seine Kollegen wollen nicht nur mehr und leichteren juristischen Beistand, sondern auch psychologischen. Die mentale Gesundheit der Helfer müsse mehr Aufmerksamkeit bekommen - und vor allem brauche es auch hier mehr konkrete und praktisch umsetzbare Initiativen.
Es gebe Mittel und Methoden, um Helfer widerstandsfähiger zu machen gegen Traumata, erklärt Vandecasteele. Aber auch hier hätten kleinere Nichtregierungsorganisationen oft das Nachsehen, weil sie nicht über die notwendigen Mittel und Expertise verfügten. Deswegen wolle man die besten Methoden sammeln und diese anschließend so weit wie möglich verbreiten - insbesondere bei den kleineren Hilfsorganisationen.
Boris Schmidt